Corona hat in viele Familien eine tiefe Lücke gerissen – zudem hatten unter Corona-Bedingungen viele Angehörige keine Möglichkeit, sich angemessen von ihren Verwandten zu verabschieden. Für dieses Gedenken soll jetzt in der Kirche Sankt Michael ein Raum geschaffen werden. „Uns fiel auf, dass es keinen zentralen liturgischen Gedenkort für Corona-Tote gibt“, sagt Jesuitenpater Andreas Batlogg von Sankt Michael. Corona habe traumatische Situationen geschaffen – „ein lieber Mensch ist allein gestorben und wurde quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit begraben“.
Für Batlogg ein wichtiger Punkt: Die Namen der Verstorbenen sollen nicht verloren gehen, niemand soll vergessen sein. „Man gewöhnt sich an diese abstrakten Todeszahlen, die Tag für Tag vermeldet werden. Dahinter stehen aber Gesichter und Lebensgeschichten von den Toten und ihren Familien.“
Die Idee – die auf eine Initiative von Hiltrud Schönheit, der Vorsitzenden des Münchner Katholikenrats und Thomas Hürten von der Glaubensorientierung der Erzdiözese zurückgeht – beschreibt Batlogg wie folgt: „Wir werden ab Freitag die Osterkerze aufstellen und darunter auf einem Ständer ein Kondolenzbuch auslegen, in das Besucherinnen und Besucher die Namen von Corona-Verstorbenen eintragen können.“ In unmittelbarer Nähe zu dieser Kerze steht der markante Weihwasserengel, dessen Becken derzeit nicht mit Weihwasser gefüllt sein kann. „Hier schaffen wir die Möglichkeit, Sterbebildchen abzulegen.“
Einmal wöchentlich, immer freitags um 18 Uhr, wird während der Messe – nach den Fürbitten – das Kondolenzbuch durch den Mittelgang nach vorne vor den Altar getragen. „Dabei wird ein Kantor das von Beerdigungen geläufige Lied ,In Paradisum‘ singen“, erklärt Batlogg. An dieser Zeremonie sollen mitunter auch Vertreter aus der Politik teilnehmen. „Wir haben vor, den Oberbürgermeister oder den Gesundheitsminister einzuladen, damit sie das Buch zum Altar tragen können.“ Ein simpler Vorgang, der zeigen soll, dass die Politik und Vertreter des Staates diese Problematik im Blick haben.
Dieses Gedenken, das ist Batlogg wichtig, soll für alle offen sein. „Ob die Leute Christen sind oder nicht, ob sie Juden oder Muslime sind, ob sie fest glauben oder nicht – den Menschen wird an so einem Ort wie Sankt Michael etwas zugesprochen, es gibt eine Perspektive“, sagt Batlogg.
Die Jesuitenkirche mit ihrer zentralen Lage an der Flaniermeile zwischen Marienplatz und Stachus scheint für dieses Vorhaben geradezu ideal. Obwohl, wie Batlogg anmerkt, auf so eine Idee vieleicht auch der Erzbischof hätte kommen können – mit dem Dom als Zentralkirche. Aber letztlich könne eine City-Kirche wie Sankt Michael vielleicht ein solch niedrigschwelliges Angebot liefern. „Es braucht bei solchen Katastrophen Orte, die nicht eng geführt werden auf ein katholisches Format“, gibt Batlogg zu bedenken.
Einen Anfang machen die Jesuiten selbst. „Wir haben die Namen der sechs in unserem Altersheim in Unterhaching an Corona verstorbenen Jesuiten hier eingetragen. Quasi als Start, um den Menschen die Scheu zu nehmen.“ Dann hängt alles davon ab, ob die Menschen dieses Buch auch nutzen – als Zeichen der Hoffnung, dass da mehr ist. „Das ist ein Angebot, man muss es nicht glauben. Aber wir erinnern daran, dass Christen eine solche Hoffnungsperspektive haben.“