Faste(i)n-Jahr

von Redaktion

CORINNA BINZER

Jeder weiß, dass am Aschermittwoch die Fastenzeit begonnen hat und dann vierzig Tage, nämlich bis Ostersonntag, dauert. Das Wort „fasten“ kommt von einem althochdeutschen Wort, das bedeutet, dass man einen gewissen Verzicht üben soll. Wenn wir uns nicht mehr von so vielen Dingen ablenken lassen, wie zum Beispiel von Handy oder Fernseher, dann könnten wir uns wieder besser auf unsere Mitmenschen und auf das Wesentliche konzentrieren. Genau genommen sind wir jetzt bei Tag 29. Noch elf Tage, dann ist die Fastenzeit vorbei. Rein rechnerisch.

Aber fasten wir denn nicht alle schon mehr als genug seit über einem Jahr? Gerade das, was das christliche Fasten erreichen möchte – dass wir mehr auf unsere Mitmenschen achtgeben –, praktizieren wir doch gefühlt seit neun Fastenzeiten. Wir tragen Masken auch aus Rücksicht auf die Gesundheit anderer, wir halten uns (zumindest der Großteil der Bevölkerung) an die Abstandsregeln und andere Vorgaben, die uns diese Pandemie hoffentlich baldigst überwinden lassen. Wir verzichten auf Theater und Kino, jegliche kulturellen nicht virtuellen Veranstaltungen. Wir gehen nicht auswärts essen, wir feiern nicht ausschweifend und durchtanzen keine Nächte, und wir geben nicht maßlos Geld bei Einkaufstouren aus. Demzufolge fasten wir, was das Zeug hält.

Und deshalb können wir – Entschuldigung, ich kann ja nur für mich sprechen –, kann ich nicht auch noch ein Fasten im kulinarischen Sinne durchhalten. „Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Das sagte schon Teresa von Avila, die 1515 bis 1582 lebte. Deshalb tue ich meinem Leib so viel Gutes wie möglich. Meine Seele bekommt des Öfteren ein Stückchen Schokolade, und für meine Familie und deren Seelen koche ich nicht immer unbedingt kalorienarm. Aber es macht mich mit meiner Gesamtsituation zufriedener, wenn ich mit meinen Lieben bei einem guten Essen am Tisch sitzen kann und wir diese Momente genießen. Ich glaube, auch wenn ich im klassischen Sinne nicht gläubig bin, dass wir genug Enthaltsamkeit an den Tag gelegt haben und es auch weiterhin tun müssen, sodass es bestimmt keine Sünde sein kann, wenn wir es uns in diesen Tagen immer wieder mal gut gehen lassen und unserer Seele zuliebe das Fasten ab und zu brechen.

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