Eigentlich erklärt Hermann Beckmann anderen den Weg. Er zeigt, wo es Schnelltests gibt, und hilft Touristen, wenn sie Fragen haben. Gestern aber, vor dem EM-Spiel der Deutschen gegen Ungarn, hat der freiwillige Helfer eine weitere Aufgabe: Er setzt ein Zeichen für die Vielfalt! Beckmann hat einen großen Regenschirm dabei – und der ist knallbunt.
Die Regenbogenfarben strahlten gestern an vielen Flecken der Stadt. So auch am Stand der freiwilligen Helfer auf dem Marienplatz. Beckmann macht keinen Hehl daraus, dass er den Kurs der UEFA nicht unterstützt – der Verband hatte die Regenbogen-Beleuchtung der Allianz Arena verboten. Seinen Schirm habe er schon seit Jahren, erzählt Beckmann. Zu politischen Zwecken sei er bisher aber nicht eingesetzt worden. Jetzt wird er zum Statement, denn „peinlicher als die UEFA geht’s nicht“.
Mit Fahnen geschmückt fuhren gestern auch Busse und Trambahnen der MVG durch die Straßen. An so manchem Balkon wehte ein Fähnchen. Größer war das Symbol etwa am Hauptbahnhof, vor dem Münchenstift-Heim an der Albert-Roßhaupter-Straße und an der Kirche St. Maximilian am Isarufer. „Der Allianz Arena kann man es verbieten, Sankt Maximilian setzt dennoch ein Zeichen für Gleichstellung und Toleranz anders Liebender und anders Denkender“, teilte die Gemeinde per Twitter mit.
Auch das Windrad an der Fußball-Arena und der Münchner Olympiaturm sollten bunt leuchten. Das hatte der Stadtrat mit großer Mehrheit am Vormittag so entschieden – als Zeichen der Stadt gegen ein von Ungarn verabschiedetes Gesetz, das die Rechte homosexueller Jugendlicher einschränkt.
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) freute sich darüber, dass es über den Antrag hinaus zahlreiche positive Reaktionen in der Stadtgesellschaft gebe. „Das macht deutlich, für was München steht: Freiheit, Akzeptanz und eine offene Gesellschaft.“ Die UEFA hatte bei der Ablehnung der Illumination argumentiert, dass es sich um ein politisches Signal handle, was gegen die Statuten des Fußballverbands verstoße. „Das ist aber keine politische Botschaft, sondern das Wertefundament unserer Stadt“, sagte Habenschaden. Sie wünschte sich, dass das Wetter mitspiele. „Vielleicht sehen wir dann heute Abend einen echten Regenbogen über dem Stadion. Das würde mich freuen.“
„Wir zeigen Flagge und Solidarität“, sagte SPD-Vize Christian Vorländer. „Die UEFA sollte sich schämen. Aber wir stehen zusammen und senden geschlossen eine Botschaft. Darauf können wir stolz sein.“ Es gehe nicht um ein einzelnes Gesetz, sagte Grünen-Stadtrat Beppo Brem. „Es geht um den Kampf gegen Diskriminierung. Das macht auch die EU aus. Dafür steht auch der Fußball.“
Die Absage der UEFA habe sie nicht weiter verwundert, sagte FDP-Stadträtin Gabriele Neff. „Ich halte es für wichtig, dass wir hier zusammenstehen und ein Zeichen setzen: Haltung, Rückgrat, Flagge zeigen. Es geht hier um Menschenrechte.“ Thomas Lechner (Linke) kritisierte, dass die Stadt sich seinerzeit überhaupt um die Austragung beworben habe. „Warum unterschreiben wir eigentlich solche Verträge. Wir sind schließlich nicht bereit, uns Vorschriften machen zu lassen, was wir hier tun dürfen und was nicht.“
Im Landtag konnte man sich hingegen nicht zu einer Regenbogenbeleuchtung oder -beflaggung des Maximilianeums durchringen. Für die Idee gab es im Ältestenrat einen Korb – es hätten alle Fraktionen zustimmen müssen. „Damit verstreicht auch die Chance ungenutzt, Ungarns zweifelhaftem Machthaber zu zeigen, was eine vermeintlich ,neue CSU‘ vom heutigen Gebaren ihres früheren Ehrengastes hält“, bedauert der parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion der Freien Wähler, Fabian Mehring. Die Beflaggung des Maximilianeums scheiterte seiner Schilderung nach an der Ablehnung von AfD und CSU.