Falsche Polizisten: Betrüger-Boss muss vor Gericht

von Redaktion

Prozess gegen Amar S. (32) in der Türkei – So ticken die millionenschweren Täter

In München machen sie Millionen, doch die Hintermänner der falschen Polizisten sitzen meist in der Türkei. Hier gelang den Behörden im Dezember 2020 einer der bislang größten Zugriffe: Ein Callcenter konnte ausgehoben werden. Mehr als 30 Mitglieder einer Betrügerbande wurden festgenommen, darunter auch Amar S. (32). Er gilt als Bandenboss und Erfinder der Betrugsmasche und soll für Telefon-Abzocke mit einem Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro verantwortlich sein.

Seit gestern steht Amar S. in der Türkei vor Gericht. Ihm drohen mehrere Jahre Haft. Bereits am morgigen Mittwoch soll das Urteil in dem Fall gesprochen werden. „Das wird ein deutliches Signal geben“, glaubt Hans-Peter Chloupek (55), Leiter der Arbeitsgruppe Phänomene beim Polizeipräsidium München. Er ermittelt seit 20 Jahren gegen die organisierte Kriminalität und weiß: „Die Masche der falschen Polizisten ist grundlegend gleich geblieben. Aber die Täter lernen auch dazu und verändern ihre Vorgehensweise in Teilen alle paar Monate wieder.“

Neu ist: Mit regionalen Abholern können die Banden mehrere Tage hintereinander Delikte begehen. „Früher gab es nur ein bis zwei Abholungen pro Woche.“ Ihr Personal haben die Banden vor Ort in München aber mittlerweile deutlich aufgestockt. „Sie sind auf die hohe Beute fokussiert und zudem gut vernetzt“, sagt Chloupek.

Der Kontakt der Münchner Polizei zu den türkischen Behörden sei sehr eng, das Wissen über die Täter immer größer. So ist es möglich, sich nicht mehr auf jeden einzelnen Abholer fokussieren zu müssen, sondern auf einer anderen Ebene zu ermitteln: bei den Logistikern, Keilern und Bandenbossen. So gelang auch der spektakuläre Zugriff in Izmir: 48 Wohnungen hatten die Ermittler durchsucht und dabei 1,5 Millionen Euro in bar sichergestellt sowie auch fünf Kilo Gold, Luxusautos, Uhren und Schusswaffen. „Das war ein bedeutender Schlag gegen die organisierte Kriminalität“, sagt Andreas Huber, Leiter des zuständigen Kriminalfachdezernats 3 bei der Münchner Polizei.

Mit S. ist den Ermittlern einer der führenden Betrüger ins Netz gegangen. Er war 2012 aus dem Gefängnis geflohen, als sein Strafprozess in Bremen kurz bevor stand. Amar S. gilt als Serientäter und soll seit seinem 16. Lebensjahr mehr als 95 Straftaten verübt haben. Ermittlungen zufolge hatte der Boss die kriminellen Strukturen in der Türkei aufgebaut, mittels derer die Masche der falschen Polizisten entwickelt wurde, die im Jahr 2020 bei 6113 Versuchen und 51 Taten in München 4,2 Millionen Euro Schaden verursachte.

Die Täter sind oft Berufskriminelle, die aus Deutschland in die Türkei ausgewandert oder geflohen sind, teils auch abgeschoben. „Es handelt sich um ehemalige Straftäter und Gewaltkriminelle“, sagt Chloupek. Sie haben oft große Erfahrung in Betrugstaten und gelernt, „wie man mit den Leuten umgeht.“ Teilweise sprechen die Anrufer sogar den Dialekt vor Ort.

Besonders perfide: Oft werden die Opfer nach dem Betrug sogar verhöhnt. „Die Täter erzählen den Senioren nach der Tat etwa, welche Autos sie mit deren Geld kaufen wollen“, sagt Huber. Teils komme es auch zu Drohungen und Beleidigungen, damit die Senioren sich nicht an die Polizei wenden. „Wir versuchen, die Täter möglichst schnell festzunehmen – auch, wenn es später vielleicht nicht zu einer Anklage reicht. Einfach, damit die Taten aufhören“, sagt Chloupek. „Gerade, weil die Taten im regionalen Umfeld passieren, gehen wir noch massiver dagegen vor.“

Mittlerweile gebe es fast jede Woche Festnahmen. Doch nicht mehr nur die Abholer werden geschnappt. „Vorige Woche haben wir auch hochrangige Kuriere und Logistiker festgenommen.“ Danach gelang die Festnahme eines Täters, „der sehr nahe an einem Callcenter-Boss ist.“ Die Bandenstruktur treffe das „massiv“, sagt Chloupek. Vor allem die Erkenntnisse hinter den Zugriffen sind für die Ermittler wichtig: „Wir haben gelernt, wie die erbeuteten Gelder transferiert werden.“. Ein Kurier sei etwa für ganz Bayern zuständig gewesen – nur, um die Beute zu transportieren. A. THIEME

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