Schluss mit Schwabing

von Redaktion

VON DANIELA POHL

„Wir gehen mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, sagt Chefin Waltraud Krätzler (80). Sie hat das Auktionshaus nach dem Tod der Gründerin Ursula Nusser vergangenes Jahr übernommen. Dass das Auktionshaus, ihr Lebenswerk, ihr geliebtes Schwabing so bald verlassen muss, damit hätte die warmherzige Kunstexpertin wohl nicht gerechnet. Nusser gründete 1984 ihr Auktionshaus, damals noch in einem Schwabinger Kellerlokal schräg gegenüber vom heutigen Standort. Fast 40 Jahre lang führte sie das Haus mit viel Herz, Empathie und Sachverstand. Es war ihr großer Wunsch, dass ihr Erbe in ihrem Sinne weitergeführt wird. Doch Schwabing ist Vergangenheit: Weil das Gebäude verkauft wurde und nun saniert wird, muss das Auktionshaus umziehen.

Eine neue Bleibe in Neuhausen ist zum Glück schon gefunden. „Wir sind dankbar, dass wir weitermachen können“, sagt Krätzler. Und doch schmerzt es, den Ort zu verlassen, an dem das Haus groß wurde. Groß gemacht wurde. „Wir haben unseren Erfolg, gerade in den Anfängen, sehr unseren treuen Schwabinger Kunden zu verdanken“, sagt Krätzler. Sie spricht von der Zeit, als man bei Auktionen noch nicht im Internet bieten konnte, und Kunstliebhaber schon Tage vorher gebannt in die Schaufenster spähten.

Tausende Schätze aus verschiedenen Sparten wie Schmuck, Möbel, Gemälde, Porzellan und Kunsthandwerk fanden in der fast 40-jährigen Geschichte des Hauses bei insgesamt 383 Auktionen neue Besitzer. Darunter auch Nachlässe von Prominenten. So wurden 2006 Gegenstände aus Erni Singerls Privathaus in Trudering versteigert. Mit einem Schätzwert von rund 800 Euro am wertvollsten ist ein Katzen- Bild des Künstlers Benno Kögl. Die Schätze des 2020 verstorbenen Starfriseurs Gerhard Meir kamen im Mai dieses Jahres unter den Hammer. Groß sei das Interesse auch an einer Zigarre von Ludwig Erhard gewesen. „Das war nicht irgendeine Zigarre. Es handelte sich um ein Geschenk von Fidel Castro.“ Das Inventar der Villa des früheren Wirtschaftsministers in Gmund am Tegernsee wurde im Hause Nusser im Jahr 1997 versteigert.

Einige herausragende Zuschläge sind Krätzler noch heute im Gedächtnis. „Ein Paar Champagnerkühler aus feuervergoldeter Bronze, die von einem der bedeutendsten britischen Hoflieferanten, dem Silberwarenhändler Rundell, Bridge & Rundell aus London, um 1810 gefertigt wurden, konnten mit 135 000 Euro zugeschlagen werden.“ Skurril auch der Weg, den eine Sammlung aus 150 Eisbär-Figuren nahm. „Die Sammlung des Schwabinger Designers Günther Schmalor wurde von einem Brauereibesitzer aus Venezuela ersteigert.“ Die Brauerei habe die Marke Polarbier geführt – das Markenzeichen des Bieres war ein Eisbär.

Neustart in Neuhausen

Das Auktionshaus Nusser eröffnet am 16. August in der Nymphenburger Straße 86. Die nächste Auktion ist am 28. September geplant. Ob eine Präsenz-Versteigerung wegen Corona möglich ist, steht noch nicht fest.

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