Lebensmittel retten, Menschen verbinden

von Redaktion

VON NADJA HOFFMANN

Günes Seyfahrt jammert nicht über Probleme, sie löst sie. Als sie 2010 ein Betreuungsangebot für ihre Kinder braucht, gründet sie kurzerhand die Giesinger Kita „Karl & Liesl“. Als die Schränke mit Kleidung und Spielzeug überquellen, ist das der Startschuss für die erfolgreiche App „Mamikreisel“. Und als die heute 41-Jährige damit hadert, wie viel Essen jeden Tag in der Stadt weggeschmissen wird, initiiert sie den Verein „foodsharing München“.

All diese Erfahrungen bündelt Seyfarth nun, acht Jahre später, zu etwas richtig Großem: In Neuperlach entsteht die erste „Community Kitchen“ der Republik: Ein Lokal, in dem professionelle Köche aus geretteten Lebensmitteln Köstlichkeiten zaubern. Eine Großküche, in der Freiwillige mithelfen, dass die Waren sofort verarbeitet werden. Und ein Ort, in dem Jung und Alt zusammenkommen, um zu essen und Zeit zu verbringen.

Was nach einer großen Vision klingt, wird bereits schrittweise Realität. Und das mit einem konkreten Ziel, so Seyfahrt: „Am 25. September feiern wir Eröffnung.“ Sie und ihre sieben Mitstreiter haben für die Community Kitchen bereits eine GmbH gegründet, um Personal einstellen zu können. Die Gemeinnützigkeit soll kommen. Ganz aktuell werden via Crowdfunding Spenden gesammelt, um das Projekt auf eine weitere finanzielle Säule zu stellen. Von den anvisierten 50 000 Euro sind knapp 12 000 Euro bereits zusammen. Außerdem haben die Lebensmittelretter mit der leer stehenden Kantine am ehemaligen Allianz-Standort in Neuperlach bereits den Ort gefunden, um ihre Ideen umzusetzen. „Hier ist alles perfekt“, sagt Seyfarth. In dem riesigen Haus soll als Zwischennutzung bis zum Abriss Münchens zweitgrößter Bildungsstandort mit ganz vielen Projekten und Akteuren entstehen.

Bis vergangenes Jahr wurden in der Kantine Mahlzeiten für tausende Mitarbeiter gekocht. Ab September befindet sich im vorderen Ausgabebereich das „Community Kitchen“-Restaurant mit 100 Sitzplätzen, in dem es leckere Gerichte für fünf Euro geben soll. Dahinter entsteht in dem riesigen ehemaligen Esssaal ein ganz entspannter Ort mit Blumen und Sitzgelegenheiten. Hier kann man ratschen, handarbeiten, Karten spielen oder am Laptop Dinge erledigen. In der Küche arbeiten nicht nur die Profis, sondern auch Helfer. Die werden immer dann gebraucht, wenn eine Lieferung kommt. Die Kitchen sammelt nicht, wie etwa die Tafel, wenige restliche Waren bei Supermärkten ein. Hier wird größer gedacht – im besten Fall in Zusammenarbeit mit den Lebensmittelproduzenten in der Stadt und im Umland.

Seyfarth erklärt: „Wenn zum Beispiel 17 Paletten Lauch übrig geblieben sind, müssen wir die sofort verarbeiten.“ Das heißt, die Helfer unterstützen beim Waschen, Schnippeln, Einfrieren oder Verkochen. Geplant ist auch, Haltbares wie Marmeladen oder Chutneys zu produzieren.“ Wer hilft, bekommt eine Art Greencard, mit der man kostenlos im Restaurant essen und noch eine Person einladen kann. Menschen mit kleinem Geldbeutel wird es auf diese Weise möglich, soziale Kontakte zu vertiefen. So bekommt das Projekt, wie die dreifache Mutter erklärt, eine weitere positive Ebene. Ihr Konzept soll nicht auf Neuperlach beschränkt bleiben. Seyfarth denkt weiter und in Richtung „Social Franchise“: Mittels Containern, in denen kleine Küchen und Kühlungen untergebracht werden, sollen viele Community Kitchen entstehen. Um Lebensmittel ganz einfach an jedem Ort der Welt zu retten.

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