Diese Masche zieht leider immer wieder: Am Telefon geben sich Kriminelle als Polizisten aus und gaukeln Senioren vor, dass diese in Gefahr seien. Dann schicken sie sogenannte Abholer, um Geld und Wertgegenstände „in Sicherheit zu bringen“. In Wahrheit bestehlen sie die Menschen, die ihr Geld oft nie wieder sehen. „Diese Taten sind die hässlichste Fratze eines Vermögensdelikts und wir werden sie konsequent verfolgen“, sagt Oberstaatsanwalt Kai Gräber. Gemeinsam mit der Münchner Polizei stellte er gestern die neuesten Fahndungsergebnisse vor: „Uns ist es gelungen, letzte Woche fünf Personen festzunehmen“, sagt Ermittler Hans-Peter Chloupek. Darunter sind vier Frauen und ein Mann zwischen 17 und 58 Jahren. Es handele sich um deutsche und türkische Staatsbürger, „die alle in Bayern zu Hause sind“.
Ein Mega-Erfolg für die Behörden: Denn durch die fünf Festnahmen „konnten wir mindestens neun Straftaten klären, durch die sich auch Hinweise auf weitere Taten ergeben haben“, sagt Chloupek. Die Opfer seien alle älter als 70 Jahre gewesen und hätten zwischen April und August in Summe 90 000 Euro verloren. Die jüngste Täterin ist erst 17 Jahre alt, geht noch zur Schule und wurde in München festgenommen.
„Diese neun Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Chloupek. Die Dunkelziffer beim Trickbetrug sei hoch. 6113 nachgewiesene Fälle mit falschen Polizisten gab es 2020 in München. Schaden: rund 4,26 Millionen Euro. Dabei wird nur etwa einer von rund 100 Fällen vollendet – so wie aktuell vorgestern in Gilching, als ein 74-Jähriger rund 25 000 Euro verlor.
Immerhin: Konnten 2020 nur sechzehn Täter gefasst werden, sind es heuer schon 29. „Davon sind im Jahr 2021 sieben Personen angeklagt“, erklärt Strafverfolger Gräber. „Hinzu kommen 17 Anklagen aus dem Vorjahr.“ Den Tätern drohe auch bei Versuchsfällen Haft: „Mindestens ein Jahr bis zu zehn Jahren“, bei mehreren Fällen 15 Jahre. Im März hatte das Landgericht zwei Abholer zu sechs Jahren und drei Monaten sowie sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Die Abholer sind die unterste Ebene in der Hierarchie der Banden. Über ihnen stehen die Kuriere, die die Beute ins Ausland bringen, die Logistiker, die die Geldübergabe organisieren. Und die „Keiler“, die meist von der Türkei aus anrufen und die Senioren unter Druck setzen. Neu ist, dass Ermittler nicht mehr nur Abholer fassen und die Verbrechen durch regionale Täter aufklären, sondern immer öfter höhere Clanmitglieder im Ausland dingfest machen. 48 Trickbetrüger stehen nach einer Razzia in türkischen Callcentern dort vor Gericht.
Gerade die Abholer spielen bei dem Betrug laut Gräber „eine ganz erhebliche Rolle“: Sie stehen oft sogar mit den Bandenbossen in Kontakt. Doch von der Beute sehen sie mitunter nur 500 Euro. „Seid nicht so blöd und lasst euch für wenig Geld verheizen und ins Gefängnis stecken, während eure Hinterleute sich die Hände reiben“, warnte der Oberstaatsanwalt sie ganz direkt. „Wenn wir euch erwischen, dann mit der ganzen Härte der Strafjustiz.“