Leere Bahnsteige, volle Ersatzzüge und strapaziöse Reisen für Urlauber: Der Lokführerstreik bei der Deutschen Bahn zwingt seit Mittwoch Tausende zum Improvisieren. Zwar ist der Ersatzfahrplan nach Bahn-Angaben stabil, doch im Fernverkehr sind drei Viertel der Fahrten gestrichen. Neben klassischem Bahnverkehr war unter anderem auch die S-Bahn betroffen. In München sollten die Züge mindestens im Stundentakt fahren. Auf einigen Linien innerhalb der Landeshauptstadt auch im Abstand von 20 bis 40 Minuten. Für die S8 zum Flughafen sieht der Ersatzfahrplan einen generellen 20-Minuten-Takt vor. Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. So sind etwa im Regionalverkehr in Bayern auf vielen Strecken Privatbahnen unterwegs. Infolge des Streiks waren aber auch bei ihnen Einschränkungen möglich.
Der Streik soll in der Nacht zum Freitag enden. „Wir setzen alles daran, damit wir am Freitag wieder im Regelbetrieb fahren können.“ Weitere Streiks sind jedoch möglich. „Das entscheiden wir nächste Woche“, kündigte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, im ZDF-„Morgenmagazin“ an.
GDL-Mitglieder lassen seit Dienstagabend die Güterzüge stehen. In der Nacht zum Mittwoch begann auch im Personenverkehr der Streik. Wegen des Passagierandrangs setzt die Lufthansa bis einschließlich Freitag größere Flugzeugtypen auf ihren innerdeutschen Flügen ein, wie eine Sprecherin berichtete. Der Fernbus-Anbieter Flixbus verzeichnet nach eigenen Angaben im Vergleich zur Vorwoche eine um etwa 70 Prozent höhere Nachfrage. Die Fernzüge der Marke Flixtrain würden um rund 30 Prozent mehr gebucht.
Bei einer erhöhten Nachfrage steigen auch die Preise für die Einzeltickets. Flixbus und Lufthansa arbeiten mit automatisierten Buchungssystemen, die automatisch höhere und teurere Buchungsklassen aufmachen, wenn die Plätze knapp werden.
Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL im Machtkampf mit der EVG punkten.
Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. „Wir erwarten Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit“, sagte Weselsky.
Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen. Doch ihr bisheriges Angebot weist Weselsky als „nicht verhandelbar“ zurück. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler warf der Gewerkschaft einen überzogenen Streik vor, zeigte sich aber verhandlungsbereit.
Auch S-Bahn-Fahrgäste in München übten Kritik. Der Ausstand komme zur falschen Zeit und sei überzogen, war vielfach zu hören (siehe Umfrage).