Nach Kurt Lichtwitz (1881 bis 1933), dem während des Dritten Reichs unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommenen jüdischen Mediziner, wird vorerst keine Straße oder ein Platz benannt. Grund: Die Vorschläge des Kommunalreferats werden von den Hinterbliebenen beziehungsweise dem Antragsteller Sigmund Silber abgelehnt. Und gegen den Willen der Angehörigen nimmt die Stadt keine Umbenennungen vor. Der Kommunalausschuss verständigte sich gestern darauf, Lichtwitz bei nächster Gelegenheit eine Straße in einem Neubaugebiet zu widmen – möglichst in örtlicher Nähe zu Thalkirchen oder Sendling.
Der Streit über eine würdige Ehrung von Kurt Lichtwitz zieht sich über ein Jahr hin. Der Mediziner hatte 1920 auf dem Areal des heutigen Chirurgischen Klinikums München-Süd die ehemalige „Wasserheilanstalt Bad Thalkirchen“ erworben und baute sie zu einer modernen Klinik um. Er führte auf dem Klinikgelände während der Wirtschaftskrise auch Armenspeisungen durch. Dieser Bereich „Am Isarkanal“ hätte nach dem Willen Silbers umbenannt werden sollen. Die Stadt schlug jedoch ein anderes Teilstück des Isarkanals vor. Dort befinden sich keine Gebäude, sondern nur Parkplätze und Wertstoffcontainer. Eine Schmuddelecke, empörte sich Silber.
Das Kommunalreferat wollte daraufhin den nördlichen Teil des Thalkirchner Platzes an der U-Bahn-Station Tierpark nach Kurt Lichtwitz benennen. Nach Meinung Silbers ein neuerlicher Affront. Erstens sei diese Fläche kaum wahrnehmbar und zweitens habe OB Dieter Reiter (SPD) in einem Schreiben an ihn und an Angelika Lichtwitz – die 83-jährige Schwiegertochter von Kurt Lichtwitz – zugesichert, dass der größere, südliche Teil des Thalkirchner Platzes umbenannt wird. Auch Doris Gribl, Kunsthistorikerin aus Solln, ist verärgert: „Ich kann es kaum glauben, dass man die Familie Lichtwitz mit diesem Platz abfertigen will. Das ist ja fast so schlimm wie die Mülltonnenstraße.“
Problem: Ein Großteil des südlichen Thalkirchner Platzes ist in Privatbesitz und überdies unter dieser Bezeichnung identitätsstiftend für das Viertel. In solchen Fällen nimmt die Stadt üblicherweise keine Umbenennungen vor. Der Münchner Medizinprofessor Silber und Angelika Lichtwitz wiederum hätten diese Möglichkeit als guten Kompromiss empfunden. Sie beklagen, dass OB Reiter seine Zusage nicht eingehalten habe. SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl hofft unterdessen weiterhin auf eine einvernehmliche Lösung: „Wir wünschen uns eine ehrwürdige Benennung von dauerhaftem Bestand.“ KLAUS VICK