München – Sein Grinsen ist gewichen. Denn jetzt wird es für Andreas S. (44) richtig ernst: Vor dem Amtsgericht wird ihm seit gestern der Prozess gemacht. Dem Eigentümer des Uhrmacherhäusls wirft die Staatsanwaltschaft Nötigung vor: Er soll 2017 einen Bauunternehmer beauftragt haben, das denkmalgeschützte Haus mit einem Bagger absichtlich zu zerstören, damit es danach abgerissen werden kann. Laut Anklage sollte „hierbei für Dritte der Eindruck entstehen, dass das bauliche Vorgehen ein Versehen war.“
Es ist ein Vorfall, der selbst Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wütend machte – er warf Andreas S. mehrfach Profitgier vor und sprach sich für den Wiederaufbau des Häuschens in der Feldmüllersiedlung aus. Diesen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof voriges Jahr auch angeordnet, doch bis heute klafft an der Oberen Grasstraße noch eine Lücke. Fakt ist: Bislang hatte der illegale Abriss kaum Konsequenzen.
Erst 57 Monate und einen Tag später nun der Strafprozess. Andreas S. drohen wegen Nötigung bis zu drei Jahre Gefängnis. Doch er bestreitet die Vorwürfe der Anklage. Über seine Anwälte Maximilian Müller und Florian Opper ließ S. nun verkünden: „Es hat keinen Auftrag zum Abriss gegeben.“ Die Verteidiger rügten, S. werde „zum Sündenbock“ für die Gentrifizierung in München gemacht. Der Angeklagte sei aber „kein Immobilienhai, sondern erwarb das Uhrmacherhäusl, um nach Sanierung selbst einzuziehen.“ Der Abriss sei „ein tragisches Unglück“ gewesen, behauptet S.
Er kaufte das Grundstück im Frühsommer 2016 für 650 000 Euro. Anschließend beauftragte er den mitangeklagten Bauunternehmer Cüneyt C. (51) mit der Sanierung des Hauses, was die Stadt Ende Juli 2017 auch genehmigte. „Es war ein lukrativer Auftrag“, schilderte C., dessen Firma in der Krise steckte – 1250 Euro pro Quadratmeter zahlte Andreas S. Doch beim Ablauf der Sanierung gab es Chaos. Denn die Baufirma hatte zeitgleich Aufträge in Stuttgart und München, die Frau von Cüneyt C. wies die Bauarbeiter an, „doch es gab Sprachprobleme“, schildert C.
Am 31. August 2017 riss ein Bauarbeiter dann mit der Baggerschaufel ein Loch in das Uhrmacherhäusl – und flüchtete, als Anwohner die Polizei riefen. Tags drauf machte Cüneyt C. das Haus vollends platt. Und sagt im Nachhinein: „Es war ein Fehler, der mir sehr leid tut.“ Er litt 2017 unter psychischen Problemen und war laut S. „ganz allein“ für den Abriss verantwortlich. Heraus kam gestern aber auch, wie der Eigentümer die Mieter rausekelte: Erst wurden Wasser und Strom abgestellt, dann Ziegel verrückt, sodass es hineinregnete. Das Haus wurde unbewohnbar, später abgerissen. Plan oder Panne? Das Urteil soll im Juli fallen.