Die Mehrheit der Stadträte stimmte dafür, dass Teile der Open Spaces genannten Ausstellungsflächen in der Innenstadt verlegt beziehungsweise reduziert werden. Außerdem kommt die Blue Lane genannte Straßenspur für neuartige Mobilitätsformen in Richtung Osten der Stadt auf den Prüfstand. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) reagierte darauf prompt – und ziemlich scharf. Die Stadt habe mit dem Beschluss einseitig das Konzept der Bewerbung in Teilen zurückgenommen. „Das verwundert uns und ist schwer nachvollziehbar.“ Man werde prüfen, ob der Vertrag für die Ausrichtung der Messe so noch Bestand habe.
Vorausgegangen war in der Vollversammlung einmal mehr eine hitzige Diskussion. Grüne und SPD hatten schon im jüngsten Wirtschaftsausschuss beantragt, dass die Verwaltung eine Verlegung der Open Spaces prüft – denn nach der IAA Mobility 2021 habe es heftige Kritik aus der Stadtgesellschaft gegeben. Der Platz vor der Feldherrnhalle, den Mercedes zur Präsentation nutzte, solle nicht mehr bespielt werden. Stattdessen solle die IAA-Fläche auf der Ludwigstraße bis zur Von-der-Tann-Straße verlängert werden. Am Königsplatz solle der Open Space um 2000 Quadratmeter reduziert werden, um Querungsmöglichkeiten für Fußgänger und Radler zu gewährleisten. Das CSU-geführte Wirtschaftsreferat prüfte die Forderungen – und lehnte sie ab.
Vor allem die Ludwigstraße eigne sich nicht als Ersatzstandort. Darunter liege die U-Bahn-Röhre, die Stadtwerke genehmigten hier pauschal eine Traglast von einer Tonne pro Quadratmeter – zu wenig für die schweren Auto-Bühnen. Ganz generell sei „von einer einseitigen Abkehr von den getroffenen Beschlüssen“ abzusehen, denn dies bedeute womöglich den Verlust der Messe – schließlich seien die Standorte im Bewerbungskonzept genau definiert worden.
Grüne und SPD brachten gestern allerdings einen Änderungsantrag ein, in dem sie den Vorschlag von Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner in ihrem Sinne überstimmten. Grünen-Fraktionschef Dominik Krause gab sich bewusst deeskalierend. Was die Mindestlasten der Ludwigstraße angehe – die seien ja nicht überall gleich, das müssten Statiker prüfen. „Soweit wir wissen, sind die Stadt und die Messe da in einem guten Gespräch.“ Die IAA wiederum werde den Ausstellern sicher vermitteln können, dass diese ihre Lasten „entsprechend anders verteilen“.
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl zeigte sich weit weniger zahm. Er warf der Rathaus-Koalition vor, die Messe bewusst gegen die Wand fahren zu wollen, sprach vom „kalten Rauswurf der IAA aus München“. „Mercedes hat 2021 vor der Feldherrnhalle genau das gemacht, was wir wollten.“ Es habe ein Kulturprogramm gegeben, große Aufenthaltsqualität, keinen Konsumzwang. „Wenn wir jetzt den größten Protagonisten der Messe verbannen, haben wir ein Problem.“
Stefan Rummel von der Messe München warnte, dass für eine genaue Prüfung der temporären Standlasten der Ludwigstraße schlicht die Zeit fehle. Stände der Autobauer seien mitunter fünf Tonnen pro Quadratmeter schwer. „Wir können aber nur mit einer Tonne rechnen – alles andere wäre ein Risiko.“ Jan Heckmann vom VDA gab daraufhin freundlich, aber bestimmt zu verstehen, dass man es als teilweises Zurückziehen der Bewerbung um die IAA Mobility verstehen werde, sollte das Gremium die Änderungen beschließen.
Nach diversen verbalen Scharmützeln tat die grün-rote Stadtratsmehrheit jedoch genau das. Zuvor hatte OB Dieter Reiter (SPD) betont, die Traglastprobleme werde man lösen können. Zur Not könne man ja über ganz andere Flächen nachdenken – etwa den Hofgarten, der allerdings dem Freistaat gehöre. „Wir tun alles andere, als die IAA Mobility auszuschließen, wir wollen Brücken bauen.“
Ob der VDA über diese Brücken noch gehen will, ist nun zumindest ungewiss.
JOHANNES LÖHR