Eigentlich wollte Valeriia Stepanska auf dem Waldfriedhof eine berühmte Ruhestätte besuchen. Doch als sie am Grab ankommt, traut sie ihren Augen kaum: Ein Bauzaun versperrt den freien Blick auf die Grabstätte. Vor dem Metallgitter liegen Blumen, flattern kleine Ukraine-Fähnchen im Wind. Valeriia steht vor dem Grab des ukrainischen Politikers Stepan Bandera. Der Grund für den Bauzaun: Das Grab muss wieder hergerichtet werden, denn es wurde geschändet. Schon wieder.
„Ich wollte mir das Grab unbedingt mal ansehen“, sagt Stepanska, die aus Kiew stammt. „Er hat viel für die Eigenständigkeit der Ukraine getan.“ Das ist die eine Sicht auf den umstrittenen ukrainischen Nationalisten. Die andere: Er gilt für viele als NS-Kollaborateur und Faschist (siehe Kasten). Wegen dieser zwielichtigen Rolle in der Geschichte wird das Grab immer wieder zum Ziel von Schändungen und Vandalismus.
So wie am 17. August 2014: Im Zuge des Konflikts zwischen der Ukraine und der Sowjetunion um die Annexion der Krim wurde das etwa 1,80 Meter große Marmorkreuz des Grabs vom Sockel gerissen, Blumenvasen umgeworfen und Graberde ausgebuddelt. Am zerstörten Grab brachten Bandera-Sympathisanten wenig später einen Zettel mit Zielscheibe an. Die Aufschrift: „Heute erreichte der Terror gegen Ukrainer auch München!“ Wieder gab’s einen größeren Anschlag am 9. März 2021: Der Ruheort war mit roter Flüssigkeit beschmiert, der umliegende Boden mit der gleichen Flüssigkeit getränkt worden.
Oder der jüngste Fall am vergangenen Sonntag: Mit blaulila Farbe wurden unter anderem ein Anarchie-Symbol sowie ein Hakenkreuz auf das Kreuz gesprüht. Auch die Aufschrift auf dem Sockel wurde verunstaltet.
Das sind nur drei von einer ganzen Reihe von Vorfällen. „In den vergangenen zehn Jahren hatten wir hier 14 Fälle von Grabschändungen“, erklärt ein Polizeisprecher auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Taten reichen von Vandalismus über Schmierereien bis hin zu Sachbeschädigungen. Aber auch politische Symbole seien dort abgelegt worden. Immer wieder.
Und die Taten häufen sich. „Durch den Krieg ist das Grab wieder mehr in den Fokus gerückt“, sagt der Polizeisprecher. Haben die Beamten die Ruhestätte deshalb nun rund um die Uhr im Auge? Hier wollen sich die Polizisten nicht in die Karten schauen lassen.
Aber: „Durch die regelmäßigen Anzeigen haben wir das Grab mehr im Blick als andere.“ Und auch zu einem kursierenden Gerücht im Internet, wonach sich in einem nahen Grablichtautomaten eine Überwachungskamera befände, sagt der Polizeisprecher nichts.