Den Tod hat Josef Wilfling (75) nie gefürchtet. Dafür kannte er ihn wohl zu gut. Allzu oft sah er sein Werk – in Verbrechen, in Abgründen, von denen die allermeisten Menschen nichts ahnen. Gestern Morgen ist Josef Wilfling, langjähriger Leiter der Münchner Mordkommission, dem Tod persönlich begegnet. Der Mann, der Kriminalgeschichte schrieb, starb im Alter von 75 Jahren in einer Münchner Klinik an den Folgen eines Krebsleidens.
Die Nachricht vom Tod des prominenten Kriminaloberrats, der nach seiner Pensionierung als Bestsellerautor eine zweite Karriere startete und oft beim Klosterwirt im Schatten des Polizeipräsidiums mit Freunden und alten Kollegen seine Augustiner-Halbe genoss, verbreitete sich gestern wie ein Lauffeuer in der Stadt. Sein Platz bleibt nun leer. Doch seine Erinnerungen und Geschichten, sein scharfer Verstand, sein wunderbar rabenschwarzer Humor und seine unvergleichliche Dramatik des Erzählens sind und bleiben unvergessen.
In 42 Dienstjahren bei der Münchner Polizei hat Wilfling so ziemlich alle Grausamkeiten erlebt, zu denen Menschen in der Lage sind. Er wurde belogen, bedroht, angegriffen, beschossen, verflucht und manchmal auch hereingelegt. Beeindruckt haben sie ihn damit nicht. Denn am Ende hat er sie doch erwischt – all die Dirnen-Würger und Frauenmörder, die Psychopathen und Giftmischer, die Serienkiller, Auftragsmörder und Psychopathen und auch die, die die Opfer waren, bevor sie selbst zu Tätern wurden. In manchen Fällen konnte er die Beweggründe der Täter nachvollziehen. In anderen Fällen empfand er nur noch Abscheu: „Triefendes Selbstmitleid von Mördern, die kein Mitleid kannten, hat mich abgestoßen.“
Bereits eine Stunde vor seiner Einstellung am 3. Oktober 1966 in Würzburg geriet der 19-jährige, völlig arglose Spross eines Münchberger Finanzbeamten an einen Sittenstrolch, der ihm zu nahe treten wollte. Es wurde der erste von vermutlich Hunderten gelösten Fällen in der Karriere des Kriminaloberrats, der im Winter 2009 zuletzt als Leiter der Münchner Mordkommission in Pension ging. Seine Bilanz: Rund 100 Fälle von Mord und Totschlag hat er bearbeitet und fast alle gelöst. Dazu 25 Mal das Urteil lebenslänglich erwirkt und so den Opfern ihre Würde zurückgegeben.
Was er hinterlässt? Seine Erinnerungen und Gedanken, scharfsinnige Analysen und auch einige tiefe Einblicke in seine Seele und sein riesengroßes Herz, das er nie verbarg – niedergeschrieben in drei Büchern, die alle Bestseller wurden. Dazu der feste Glaube an das Gute. Und die Gewissheit, dass am Ende doch – fast immer – die Gerechtigkeit siegt.
Sagen wir es mit seinen Worten: Es war uns eine Ehre. Servus, Herr Kommissar!