Zornige Zwischenrufe, Rügen der Sitzungsleitung und sogar angedrohte Strafanzeigen – die Debatte im Münchner Stadtrat am Mittwoch hätte dem als Provokateur bekannten Rammstein-Frontmann Till Lindemann vermutlich sehr gefallen. Freuen darf er sich auf jeden Fall. Deutschlands bekannteste Metal-Band darf an Silvester auf der Theresienwiese für 145 000 Besucher konzertieren. Das hat der Stadtrat mehrheitlich entschieden. Allerdings nur, falls der Veranstalter, die Agentur Leutgeb, bis dahin ein belastbares Konzept zu Sicherheit und Lärmschutz vorlegt. Bis das genehmigt ist, sollen keine Tickets verkauft werden dürfen.
Ob sich die Agentur darauf einlässt, muss Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) nun klären. Die Genehmigung für das von Leutgeb organisierte Gabalier-Konzert auf dem Messegelände war erst am Freitag vor der Veranstaltung erfolgt. Auf der anderen Seite hat die Vergangenheit gezeigt, dass Rammstein-Konzerte mitunter in weniger als einer Stunde ausverkauft waren.
Im Vorfeld der Sitzung des Feriensenates hatte es einigen Ärger gegeben, der sich im Gremium vollends entlud. Die Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe, Sibylle Stöhr (Grüne), sprach erneut von Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Besucher, des Lärmschutzes für die Anwohner und von einem möglichen Präzedenzfall. Die Veranstaltungen auf dem Wiesn-Gelände seien schließlich reglementiert. „Das öffnet anderen Interessenten Tür und Tor. Und da spielt es keine Rolle, ob es sich um Rammstein handelt oder die Kastelruther Spatzen.“
Ähnliche Einwände kamen von der Fraktion der Grünen. Deren Chefin Mona Fuchs warnte vor einem Schnellschuss. Es bestünden zu viele offene Fragen beim Thema Sicherheit und Lärmschutz. „Wir haben Veranstaltungen schon abgelehnt, wenn die Sicherheitsbehörden Risiken gesehen haben.“ Und das haben sowohl das Kreisverwaltungsreferat (KVR) als auch die Polizei.
CSU-Chef Manuel Pretzl erwiderte, dass der Stadtrat heute nicht beschließen werde, dass das Konzert tatsächlich stattfindet, sondern lediglich, ob dem Veranstalter die Wiesn für ein Konzert grundsätzlich zur Verfügung gestellt werde. „Dann muss der Veranstalter ein Konzept erarbeiten, wenn ihm das nicht gelingt, dann wird es kein Konzert geben.“ Das gelte sowohl für die Einwände in Sachen Sicherheit als auch beim Lärmschutz. Stöhr hatte zuvor argumentiert, dass ein Rammstein-Konzert nicht leise sein, sondern bis Aubing schallen werde. Der Veranstalter hatte indes ausgeführt, dass spezielle Boxen zum Einsatz kommen würden.
„München will eine Großstadt sein, und wir gehen daher offen daran und schauen, was möglich ist“, sagte SPD-Chefin Anne Hübner. Aber egal, wie die Entscheidung des KVR als Genehmigungsbehörde ausfalle, die SPD werde politisch dahinterstehen. „Wir werden keinen Druck ausüben, etwas zu genehmigen, was nicht genehmigungsreif ist.“
Dieser Einwurf rief Sitzungsleiterin Katrin Habenschaden (Grüne) auf den Plan, die klarstellte, dass es selbstverständlich sein sollte, dass die Genehmigungsbehörde politisch nicht beeinflusst wird. „Das finde ich unanständig“, polterte Hübner. Sie sei weit davon entfernt, Einfluss auf die Verwaltung zu nehmen. Die Grünen dagegen, die machten das doch ständig.
Linken-Chef Stefan Jagel hatte zuvor Referent Baumgärtner angeschossen. Es sei ein enormer Akt gewesen, die Theresienwiese als Schauplatz der Veranstaltung „Kunst und Quadrat“ zu erhalten. Für Baumgärtners Spezl Leutgeb sei das offenbar kein Problem. Dafür kassierte er von Habenschaden eine Rüge. Und Baumgärtner drohte mit juristischen Konsequenzen, sollte sich Jagel nicht entschuldigen. Das blieb aus. Till Lindemann hätte es gefallen.