Klinik-Chef schlägt Alarm

von Redaktion

VON MARC KNIEPKAMP

München – Bayerns Krankenhäuser standen in den vergangenen beiden Jahren wegen der Corona-Pandemie unter Dauerlast – jetzt rutschen sie in die nächste Krise. Die Inflation und der Personalmangel schlagen in den Kliniken mit voller Wucht durch – so sehr, dass die Kliniken fürchten, dass die Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern angesichts der aktuellen Krise zusammenbrechen könnte. „Die Kostenexplosion trifft die Kliniken mit voller Wucht“, sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), Roland Engehausen, am Donnerstag in München.

Engehausen nennt Beispiele: So habe ihm eine Klinikmitarbeiterin, die im Einkauf tätig ist, berichtet, dass sich der Preis für Skalpelle mehr als verdreifacht habe. Bisher seien gut drei Euro pro Stück fällig gewesen, jetzt würden zehn Euro und sogar mehr verlangt. Und auch die steigenden Energiekosten machen den Häusern zu schaffen. So müsse ein Krankenhaus mittlerer Größe nach aktuellen Berechnungen der BKG im Jahr 2023 über sechs Millionen Euro mehr für Strom und Gas bezahlen als im Jahr 2021.

Das Problem der Krankenhäuser: Sie können dieser Kostensteigerung nicht einfach durch eine Erhöhung der Preise begegnen. Deshalb fordert Engehausen für die Krankenhäuser einen Inflationsausgleich in Form eines Aufschlags von vier Prozent auf alle Krankenhausrechnungen. Danach müssten die Kliniken in die Lage versetzt werden, „ohne jeden Deckel“ über einen Ausgleich zu verhandeln. Engehausens Warnung: „Sollte eine Lösung ausbleiben, fährt die stationäre Versorgung kurzfristig an die Wand.“ Das sieht auch München-Klinik-Chef Axel Fischer so. „Extreme Kostensteigerungen, beispielsweise bei der Energie, können Krankenhäuser in die Insolvenz treiben und die Versorgungssicherheit gefährden“, konstatiert der Chef der zweitgrößten kommunalen Klinik Deutschlands.

Neben den steigenden Preisen macht Fischer aber auch die Personalsituation Sorgen. „In den kommenden zehn Jahren gehen 30 Prozent der Pflegekräfte in Rente“, rechnet Fischer vor und merkt an, dass auf der anderen Seite der Nachwuchs fehle. Derweil sei die Corona-Pandemie in den Krankenhäusern weiterhin anstrengender Alltag, die großen Maximalversorger wie die München Klinik trügen die Hauptlast der Pandemie wie auch der gesundheitlichen Daseinsvorsorge. Finanziell würde diese Arbeit aber nicht entsprechend vergütet. „Dem Klatschen für die Leistung des Personals folgten Versprechen der Politik, die nicht Lippenbekenntnisse bleiben dürfen“, mahnt Fischer.

Dabei sei das Geld an sich im Gesundheitssystem sogar vorhanden. Deshalb fordert Fischer eine große Strukturreform. Wenn die Krankenhäuser und Versorgungsaufgaben in Deutschland dem Bedarf entsprechend verteilt wären, wäre genug Geld und auch Personal da. „Ohne einen geordneten Umbau des Systems wird die Gesundheitsgrundversorgung in einigen Teilen Deutschlands durch Insolvenzen von Kliniken kollabieren, während an anderer Stelle Rekordgewinne erzielt und aus dem Gesundheitswesen abgeschöpft werden.“ Für den Umbau brauche es demnach die Politik in Berlin als ordnende Hand und einen Blick auf die Nachbarländer. „Die zeigen uns, wie sie mit weniger Medizin gesünder sein können – und das funktioniert auch wirtschaftlich.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte seine Unterstützung für Forderungen an die Bundesregierung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte unterdessen ein Hilfspaket für die Kliniken an. Dafür sollten in den nächsten Wochen konkrete Vorschläge vorgelegt und mit den Ländern beschlossen werden. Es gehe um kurzfristige Lösungen, damit Kliniken jetzt nicht in unüberbrückbare Schwierigkeiten durch Liquiditätsprobleme kommen. Er hob als weitere politische Schwerpunkte auch Neuregelungen zur Entlastung von Pflegekräften hervor.

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