München – Die Entlastungsspange U9 gilt als Bypass, um den drohenden innerstädtischen Verkehrsinfarkt zu verhindern. Auf einer Länge von 10,5 Kilometern soll sie von der Impler-/Poccistraße über den Hauptbahnhof zur Münchner Freiheit verlaufen. Fünf neue Bahnhöfe könnten entstehen. Die Bauzeit wird mindestens zehn Jahre betragen – wenn die Strecke denn gebaut wird. Der Stadtrat soll Ende Oktober oder Anfang November beraten.
Das Projekt könnte kippen, denn die Stadt ist in der Zwickmühle. Zwar hatte sich das Gremium 2019 für die U9 ausgesprochen und auch zugestimmt, bereits während des Baus der zweiten Stammstrecke unter dem Hauptbahnhof ein Bauwerk zu errichten, in dem dann künftig der Bahnhof für die U9 situiert werden soll. Aber: Allein die Kosten für diesen Bahnhof werden nach Informationen unserer Zeitung mittlerweile auf 562 Millionen Euro geschätzt, die Kosten für die gesamte Trasse auf vier Milliarden Euro. Es ist jedoch nach wie vor unklar, ob es für den Bau der Strecke Zuschüsse des Bundes geben wird.
Zwar hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ebenfalls 2019 eine Förderung zugesagt. Ob diese seitens des neuen Ministers Volker Wissing (FDP) noch Bestand hat, ist offen. Eine Anfrage unserer Zeitung blieb unbeantwortet. Und das ist das Dilemma, in dem sich der Stadtrat befindet. Die Reihe der Kritiker wächst. Denn es besteht die Gefahr, dass die Stadt nun für 562 Millionen Euro einen Bahnhof bauen lässt, ohne mit Sicherheit zu wissen, ob die Trasse U9 jemals gebaut wird. Klar ist nämlich: Alleine wird die Stadt das vier Milliarden Euro teure Projekt nicht stemmen können.
Förderungen des Bundes für Nahverkehrsprojekte unterliegen komplizierten Berechnungsformeln nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Damit werden Kosten und Nutzen eines Nahverkehrsprojekts errechnet. Ergibt sich daraus ein Faktor größer 1, übernehmen Bund und Land zwischen 80 und 90 Prozent der Kosten. Die U9 kam vor dem Sommer auf einen Faktor von 0,09. Allerdings änderten sich dann die Parameter für die Formel. Beispielsweise dürfen nun auch Umweltaspekte eingepreist werden. Zudem gibt es Punkte für den Faktor einer überregionalen Relevanz. Nun kommt die U9 nach unseren Informationen auf einen Wert von 0,5. Damit wären die Kosten immerhin schon zur Hälfte förderfähig.
Sollte der Stadtrat das Vorhaltebauwerk tatsächlich nicht bauen lassen, wäre die U9 dem allgemeinen Vernehmen nach nicht mehr zu realisieren. Es sei schließlich schwer zu vermitteln, nach der Fertigstellung der Stammstrecke unter dem Hauptbahnhof wieder alles aufzureißen, sagen Fachleute. Und noch ein Pferdefuß versteckt sich hinter dieser Entscheidung. Die Bahn hat die Vorhaltemaßnahme bereits eingeplant. Lehnt der Stadtrat den Bau des U9-Bahnhofs ab, müssten die Pläne überarbeitet werden. Eine Sprecherin der Bahn sagte dazu auf Anfrage unserer Zeitung: „Mit einer Ablehnung der U9 wäre ein großer Aufwand für eine erneute Umplanung am Hauptbahnhof notwendig, der das Projekt verzögern und verteuern würde.“