Um den Luftreinhalteplan für München wird seit Jahren gerungen. Politisch und vor Gericht. Nun gibt es einen klaren Maßnahmenkatalog, den Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) und die Referentin für Klima- und Umweltschutz, Christine Kugler (parteilos), am Donnerstag vorstellten. Laut Habenschaden hat die Stadt mit den Klageführern vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) einen Stufenplan ausgehandelt. „Ohne diesen Kompromiss hätten die Gerichte wohl sofort Fahrverbote verhängt“, deutete die Bürgermeisterin an.
Hintergrund ist, dass die Staatsregierung 2021 die Zuständigkeit für die Umsetzung der Luftreinhaltepläne an die Kommunen delegiert hat. Und in München werden noch immer an vier Messstellen die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid-Belastung überschritten: an zwei Punkten der Landshuter Allee, an der Tegernseer Landstraße sowie am Leuchtenbergring. Habenschaden: „Wir hätten den Autofahrern die Verbote gerne erspart, aber der Gesundheitsschutz der Bürger ist unsere größte Pflicht.“ Alle gutachterlichen Untersuchungen hätten ergeben, dass der Ausschluss von Diesel-Fahrzeugen die wirksamste Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität ist. Laut Verwaltung drohen der Stadt gegebenenfalls EU-Strafzahlungen von bis zu einer Million Euro pro Tag, sollte sie nicht handeln.
Habenschaden sagte, sie bedauere sehr, dass es so weit kommen musste – weil Fahrverbote gerade jetzt für viele Bürger eine Zumutung seien. Man werde Übergangsfristen und Ausnahmen für Anwohner, Lieferverkehr und Handwerker schaffen. Zugleich kritisierte die Bürgermeisterin den Freistaat: „Die Staatsregierung hat das Auto jahrelang über den Gesundheitsschutz gestellt und die Verkehrswende vernachlässigt.“
Der Stufenplan sieht vor, dass ab 1. Februar 2023 die bestehende Umweltzone um den Mittleren Ring erweitert und in dieser neuen Zone auch ein Verbot für Diesel-Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 angeordnet wird. Bislang galt dieses Verdikt nur bis zur Schadstoffklasse Euro 3. Anwohner und Lieferverkehr werden weiterhin von dem Fahrverbot ausgeklammert. Sollten sich die Stickstoffdioxidwerte in der Zwischenzeit nicht verbessern, werden ab Oktober 2023 auch Diesel-Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse 5 ausgeschlossen. Habenschaden und Kugler gingen übereinstimmend davon aus, „dass diese zweite Stufe gezündet werden muss“. In Stufe drei – sie würde ab 1. April 2024 gelten – wäre es dann auch vorbei mit den Ausnahmeregelungen für Lieferverkehr und Anwohner. Sollten die Grenzwerte bis dahin jedoch überall eingehalten werden, würde die Stadt von der Verschärfung absehen.
Den Stufenplan will die Rathaus-Regierung aus Grünen und SPD am 26. Oktober im Stadtrat beschließen. In München gibt es 140 000 Diesel-Fahrzeuge mit der Abgasnorm 4 und 5, in der gesamten Region noch mehr Betroffene. Wolfgang Fischer vom Einzelhandelsverband City-Partner sieht sowohl eine Ungleichbehandlung der Pendler als auch eine Diskriminierung nach Wohnort innerhalb Münchens. So dürfe etwa ein Pkw-Besitzer aus Haidhausen weiterhin ohne Einschränkung in der Umweltzone fahren, während es einem Pkw-Halter aus Berg am Laim verboten sei. Außerdem verweist Fischer auf den Durchgangsverkehr über den Mittleren Ring zu den Autobahnen und bezweifelt, dass die Verbote kontrolliert werden können.
Habenschaden sagte dazu, sie gehe davon aus, „dass die meisten Bürger sich rechtskonform verhalten“. In der Praxis dürfe es künftig so sein, dass die Polizei bei routinemäßigen Kontrollen überprüft, ob die Pkw-Halter auch gegen das Fahrverbot verstoßen haben. Sollte dies der Fall sein, ist eine Strafe von 100 Euro plus Verwaltungsgebühr fällig.
Anne Hübner, SPD-Fraktionschefin im Stadtrat, kündigte an, sich für weitere Ausnahmen stark zu machen: „Und zwar für Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, sich aber kein neues Fahrzeug leisten können.“ Dies sei angesichts der aktuellen Preissteigerungen unerlässlich. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl bezeichnete die Fahrverbote als „Schlag ins Gesicht der ganz normalen Bürger“. VCD und DUH wollen ihre Gerichtsverfahren für erledigt erklären, sollten die im Stufenplan enthaltenen Maßnahmen umgesetzt werden.