Über ihre Theken gingen jahrelang Zeitungen, Zigarettenschachteln oder Fahrkarten, Pendler versorgten sie mit Snacks und Kaffee – die kleinen Kioske an den Bahnsteigen oder in den U-Bahn-Zwischengeschossen. Viele dieser Standl in und um München stehen mittlerweile leer: Allein bei den U-Bahnen sind es 32 Kioske (siehe Kasten). An den S-Bahngleisen sieht es zwar etwas besser aus, dennoch sind auch hier an Bahnhöfen wie Ebersberg, Höhenkirchen-Siegertsbrunn oder Harthaus weiter Standl ohne Betreiber. Dabei bieten die kleinen Geschäfte viel Potenzial – auch für eine alternative Nutzung. Unsere Zeitung stellt Ideen und Konzepte vor, was sich aus den Kiosken machen lässt.
Bildung am Bahnsteig
Hildebrecht Braun (78) hat schon vieles in seinem Leben gemacht: Er arbeitet als Rechtsanwalt, saß viele Jahre für die FDP im Bundestag und jetzt ist er auch noch Mieter eines Bahnsteigkiosks. Genau genommen ist es jetzt kein Kiosk mehr, Braun hat das Häuschen an der S-Bahn-Station Solln vor mehr als zwei Jahren zu einem Raum für Bildung umgewandelt – dem „Liberalen Zentrum“. Doch wegen Corona ging zunächst wenig, erst jetzt kann das Angebot starten. „Ich sehe darin eine enorme Chance für den Münchner Süden“, sagt Braun. Das Zentrum solle unter anderem das politische Bewusstsein fördern – trotz seiner Zugehörigkeit zur FDP soll das Angebot überparteilich sein. Bevor Braun das Gebäude übernommen hatte, stand es lange leer. Rund ein halbes Jahr musste der Rechtsanwalt verhandeln, bis er den Vertrag von der Deutschen Bahn bekam. Etwa 30 000 Euro investierte Braun in das Zentrum: „Es gab zuvor ja kaum Steckdosen“, sagt er. Mittlerweile bieten die Räume 45 Plätze, zehn Doppeltische und einen Beamer. „Das war ein Geschenk, das ich mir selbst gemacht habe“, sagt Braun. Demnächst soll es losgehen: Der Schwerpunkt liege auf politischer Bildung. Daneben wird es aber auch Computer-, Handy- und andere Kurse mit Bezug zum Alltag geben. Zudem wird darin eine „Geschichtswerkstatt“ tagen – darin werden historische Themen aus dem Bezirk (Thalkirchen, Obersendling, Forstenried, Fürstenried und Solln) behandelt.
Alter Kiosk, neues Café
Omid Quraishi (34) hat sich vor zwei Jahren einen großen Traum erfüllt. Mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie setzte er sich ein Ziel: Er wollte den in die Jahre gekommenen Bahnhofskiosk in Mammendorf, der lange leer stand, in ein ansprechendes Café verwandeln. Kein einfaches Unterfangen: „Das erste Jahr war richtig schwierig“, sagt er. Doch Hürden war Quraishi gewohnt, immer schon: Zehn Jahre (2010) zuvor war er aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Zuerst musste er die Sprache lernen, nebenbei jobbte er, später arbeitete er sich bis zum Filialleiter eines Cafés hoch. Der nächste Schritt: Selbstständigkeit! Nachdem er von der Bahn den Zuschlag für den Kiosk in Mammendorf bekommen hatte, investierte er viel Geld und renovierte das Gebäude mithilfe von Freunden und Familie. Der Start war mühsam und anstrengend: „Vorübergehend hatte ich drei Jobs“, sagt er. Bis sein eigenes Café richtig anlief, half er nebenbei in einem anderen Backshop aus, nachts arbeitete er zweimal die Woche in einem Hotel. Doch es hat sich gelohnt, sein Café hat die Corona-Zeit überlebt: „Jetzt bin ich mein eigener Chef“, sagt Quraishi voller Stolz. Vor allem die Menschen aus Mammendorf hätten ihn immer bei seinem Vorhaben unterstützt. Nun plant Quraishi sogar noch einen zweiten lee rstehenden Bahnhofskiosk umzuwandeln – noch ist das aber nicht gewiss. Erst mal will er einen Mitarbeiter aus der Ukraine einstellen. Denn: Integration ist im wichtig.
Kultur im Café
Hinter der Wand aus Glas brennt kein Licht, die Räume sind verwaist – seit 2017 steht das ehemalige Café am U-Bahnhof Messestadt West schon leer. Zuletzt diente es nur noch als Corona-Teststation – doch auch das ist vorbei. Aber: Der Leerstand könnte bald vorbei sein: Der Besitzer, die MVG, plant, die Räume künftig selbst zu nutzen – darüber hinaus sollen sie auch für Vorträge, Kulturveranstaltungen oder Firmenfeiern vermietet werden. Auch für Empfänge während Messen eignet sich der Bau, sagt ein Sprecher der MVG. Die Räume seien bereits umfangreich saniert worden – und stehen fast bereit. Was fehlt dann noch zum Start? „Zurzeit werden noch einige Fragestellungen mit den Genehmigungsbehörden abgeklärt“, so der MVG-Sprecher.