Sperrbezirk auf dem Prüfstand

von Redaktion

VON SASCHA KAROWSKI

An der Spider Murphy Gang kommt man bei dem Thema nicht vorbei. 1981 veröffentlichten die Münchner Musiker ihren Nummer-eins-Hit „Skandal im Sperrbezirk“ mit Bezug zu eben jenem roten Bereich in der Landeshauptstadt. Dort war bereits 1972 anlässlich der Olympischen Sommerspiele eine strengere Regelung erlassen worden, weil Bordellbetreiber aus ganz Deutschland Laufhäuser in München eröffnen und von dem internationalen Event profitieren wollten. Die Verordnung wurde auf Betreiben der CSU 1980 deutlich verschärft. Unter dem damaligen Kreisverwaltungsreferenten Peter Gauweiler (CSU) wurde ab 1982 eine energische Überwachung der Verordnung eingeführt, mit der die offene Prostitution weitestgehend in die Stadtrandbereiche oder Umlandgemeinden verdrängt wurde. „Und draußen vor der großen Stadt steh’n die Nutten sich die Füße platt“, heißt es daher in dem Lied der Spider Murphy Gang.

Aus Sicht von Sexarbeiterin Johanna Weber ist das Problem, dass in München mittlerweile 90 Prozent des Stadtgebietes unter die Sperrbezirksverordnung fallen. „Das ist so groß, das gibt es in keiner anderen Stadt in Deutschland.“ Und es sei auch die strengste Verordnung. „Üblicherweise ist die Regel, das sichtbare Sexarbeit nicht stattfinden darf. In den Gebieten in München ist aber jede Art von sexueller Dienstleistung verboten“, sagt Weber, die politische Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen in Deutschland ist. Sie selbst habe einen Kunden, der im Rollstuhl sitzt, ihr Studio sei aber nicht barrierefrei. „Und zu Hause besuchen darf ich ihn nicht.“ Anderes Beispiel: Die Kunden von Escort-Damen logieren oft in den Fünf-Sterne-Hotels. „Die sind wiederum (fast) alle in der Innenstadt. Somit machen sich die Frauen immer strafbar, wenn sie ihrem Gewerbe nachgehen. Natürlich könnten sie auch ablehnen – aber wovon sollen sie dann leben?“

Außerdem wünscht sich Weber, dass sich Prostituierte auch mal zusammentun könnten, um beispielsweise eine Wohnung für ihre Arbeit zu mieten. „Die Abhängigkeit von den wenigen Bordellbetrieben ist groß, größer als in anderen Städten. Aber in München wird das in Kauf genommen, weil das Geschäft hier sehr gut läuft.“

Alles Probleme, die bei der neuen KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) auf offene Ohren stoßen. Sie will die Sperrbezirksverordnung auf den Prüfstand stellen. „Wir sehen die Erforderlichkeit der Anpassung an die aktuellen gesellschaftlichen sowie städtebaulichen Entwicklungen und Gegebenheiten“, sagt Sammüller-Gradl. Sie will zudem den Runden Tisch Sexarbeit wieder einberufen. Er soll erstmals wieder im Februar tagen. Überdies haben CSU und Freie Wähler nun ein Hearing zum Thema Sperrbezirk beantragt.

Die Idee wird von den Grünen im Stadtrat gern aufgenommen. „Die Verordnung muss überarbeitet werden“, sagt Marion Lüttig. „Am Ende ist es so, dass sie vielfach gar nicht mehr passt.“ Es gebe inzwischen auch Wohnbereiche, die von der Verordnung umfasst würden, weil beispielsweise ehemalige reine Gewerbegebiete umgewandelt wurden. „Und wir haben das Thema Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen. Wenn jemand das Haus nicht mehr verlassen kann, aber die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen möchte, macht derjenige sich strafbar“, sagt Lüttig.

Die Verordnung sei 2005 zuletzt angepasst worden, sagt SPD-Vize Christian Vorländer. „Daher ist es an der Zeit, und wir sind offen für notwendige Anpassungen, auch aufgrund der Veränderungen in den Stadtbezirken. Nach 17 Jahren ist ein Bedarf da.“

Allerdings ist die Stadt München gar nicht für die Verordnung zuständig – ändern müsste sie die Regierung von Oberbayern, also der Freistaat. Da passt es ganz gut ins Bild, dass just CSU und Freie Wähler im Stadtrat – Koalitionäre auf Landesebene – die Anhörung beantragt haben, bei der auch Vertreter der Szene ihre Ansichten äußern sollen.

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