Heute feiert Alt-OB Christian Ude (SPD) seinen 75. Geburtstag. Ein Mann, der München geprägt hat. Von 1993 bis 2014 war das „Schwabinger Kindl“ Oberbürgermeister und führte die rot-grüne Stadtregierung. Liberal und intellektuell, aber immer auch volksnah, übte er sein Amt aus. Im zweiten Teil des großen Interviews spricht Ude unter anderem über seine Ehrenbürgerschaften in Griechenland und der Türkei, über seine Beziehung zum TSV 1860 und zum FC Bayern und über eine denkwürdige Begegnung mit Kardinal Ratzinger.
Herr Ude, Sie sind nicht nur Münchner Ehrenbürger, sondern auch auf der griechischen Urlaubsinsel Mykonos – Ihrer zweiten Heimat. Wie kam es dazu?
Da kann ich offen und ehrlich gestehen, dass dies überhaupt nichts mit Verdiensten um die Insel Mykonos zu tun hat. Ich war und bin ja nur als Tourist dort. Die griechischen Gemeinden in München haben sich mal an den Gemeinderat von Mykonos gewandt mit dem Vorschlag, mich zum Ehrenbürger zu ernennen, weil ich mich in München sehr für die Griechen eingesetzt hätte.
Was welche Vorteile mit sich bringt?
Na ja, es ist etwas anders als in München. In der Praxis bedeutet es ein bis drei Ouzo in jeder Kneipe. Also diese Ehrenbürgerwürde ist mit viel mehr Gefährdungen verbunden . . . (Gelächter)
Zur Türkei hegen Sie ebenfalls gute Beziehungen, inklusive Ehrenbürgerwürde in der anatolischen Kommune Pülümür.
Genau. Ich habe als Student die Weihnachtsferien 1971/72 im Osten der Türkei verbracht und wurde damals von einer weitverzweigten Familie in einem alleinstehenden Bergbauernhof aufgenommen. Es stellte sich heraus: Ich war in eine Münchner Gastarbeiterfamilie geraten. Daraus ist eine Freundschaft entstanden, die seit 50 Jahren anhält. Eines der damaligen Kinder ist heute Bürgermeister in dem Istanbuler Stadtteil Maltepe.
Wie erleben Sie die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei?
Furchtbar. Die Lage scheint sich allerdings beruhigt zu haben. Es gab ja schon in früheren Zeiten Eskalationen – aber dann auch wieder wechselseitige Erdbebenhilfe. Große Volksteile auf beiden Seiten verstehen sich als befreundete Nachbarn und lassen sich nicht vor den Karren der staatlichen Politik spannen. Ich habe außerdem die Hoffnung, dass es nur ein randständiger Konflikt ist, weil die Türkei und Erdogan geo- und innenpolitisch vor ganz anderen Herausforderungen stehen.
Arbeiten Sie bereits an Ihrem nächsten Buch oder gibt es andere Tätigkeiten, die Sie derzeit noch mehr in Anspruch nehmen?
Ich arbeite an einem Sachbuch über die wichtigsten Themen in der Kommunalpolitik von 1990 bis 2020. Also der Zeit, in der ich auch vier Mal zum Oberbürgermeister und drei Mal zum Präsidenten des Deutschen Städtetags gewählt wurde. An einem satirischen Buch arbeite ich sowieso immer. Ich brauche halt genug Stoff, um ein Buch zu füllen. Ansonsten arbeite ich bei einem Filmprojekt über Schwabinger Geschichte(n) mit. Nur wahre Begebenheiten. Und dann mache ich mit großem Vergnügen meinen Volkshochschulkurs „Politik der Woche“, den ich 1967 erfunden, 1969 eingestellt und nach meiner Pensionierung 2014 wieder gegründet habe. Da kommen immer mindestens 100 Teilnehmer. Und viel Prominenz aus Politik, Wissenschaft und Publizistik. Das macht mir unheimlich Spaß.
Kommen wir zu einem anderen Langzeitprojekt: Klappt es in dieser Saison endlich mit dem Aufstieg der Löwen?
Also dafür fühle ich mich nicht verantwortlich (Gelächter). Aber die Hoffnung stirbt zuletzt . . .
Fiebern Sie nicht mehr mit?
Das wäre eine übertriebene Darstellung. Uli Hoeneß hat mal gesagt, der Ude ist ja gar kein Löwen-Fan, er kann nur den FC Bayern nicht leiden. Das war als Gemeinheit gedacht, aber nicht so falsch, wie es manche empfunden haben. Ich bin in der Tat kein Fußball-Fan, der jedes Wochenende im Stadion verbringt. Ich habe aber immer eine Sympathie für die Schwächeren, daher auch das Engagement als Sozialdemokrat in Bayern. Dauerhafter Erfolg ist langweilig. Niederlagen, wie sie die Löwen alle Nase lang, aber die Bayern äußerst selten erleiden müssen, gehören zum Leben.
Also klappt’s mit dem Aufstieg?
Es würde mich einfach freuen. Vielleicht sogar in einem Jahr, in dem der FC Bayern nicht Meister wird. Das wäre fast ein seelischer Ausgleich.
Vertragen Sie sich nach früheren Zerwürfnissen eigentlich wieder mit dem langjährigen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß?
Ich hatte ihn nie als persönlichen Gegenspieler gesehen. Er hat sich immer auf der internationalen Bühne bewegt. Ich habe nur feststellen müssen, dass die Abteilung Attacke keine Grenzen kennt, wenn sie mehr Geld für den Verein herausschlagen will. Trotzdem ist sein Lebenswerk für den FC Bayern überwältigend. Ich wüsste niemanden, der bei den Löwen nach Radenkovic so etwas vorweisen könnte. Vielleicht Karsten Wettberg.
Es gibt eine Anekdote, dass früher die Gymnasiasten aus dem Münchner Norden zweimal im Jahr zum Schwimmen ins Nordbad getrieben wurden. Sie sollen das gehasst haben, weil das Wasser so kalt war.
Das ist keine Anekdote, sondern die bittere Wahrheit.
Und sind Sie immer noch so wasserscheu?
Nein, das hat nichts mit wasserscheu zu tun. Das Wasser war so kalt, dass wir blaue Lippen gekriegt und mit den Zähnen geklappert haben. Das waren mit die schlimmsten Stunden meiner Schulzeit. Wohltemperiertes Wasser hingegen ist ein herrlicher Genuss. Deswegen fahren wir ja auch auf die griechischen Inseln.
Sie haben im Jahr 2000 im Auftrag des Münchner Merkur den damaligen Kardinal Ratzinger, später Papst Benedikt, in Rom interviewt. Wie war die Begegnung?
Ein unglaubliches Erlebnis. Er hat sich vier Stunden Zeit genommen. Es war ihm wichtig, dass seine Liebe zu Bayern umfassend rüberkommt. Ich habe ihn dann auch gefragt, ob er wisse, dass wir Ordensbrüder sind. Und er antwortete wie aus der Pistole geschossen: ja natürlich – wir haben beide den Valentinsorden. Und es habe ihn gekränkt, dass einige Journalisten und Politiker meinten, das sei keine gute Wahl. Da fühle er sich völlig verkannt, weil er ein großer Liebhaber von Karl Valentin sei. Er fing dann an, einen Dialog zwischen Karl Valentin und dem arbeitslosen Adolf Hitler in zwei verschiedenen Sprecharten und Tonlagen zu spielen. Ich dachte mir damals: Ein Königreich für ein Mikrofon, ein vielleicht künftiger Papst spricht einen Valentin-Sketch für einen Zuhörer! Dass er noch Papst werden könnte, hat Ratzinger damals übrigens ausgeschlossen.
Hätten Sie das gedacht?
Ich konnte seine Position in der Katholischen Kirche nicht beurteilen. Offenbar war sie sehr stark. Körperlich hatte er schon einen schwächelnden Eindruck gemacht. Aber er war geistig so was von fit, egal ob es um kirchliche, politische, historische oder naturwissenschaftliche Fragen ging. Er hatte auf alles eine fundierte Antwort. Ich war sprachlos.
Zum Abschluss: Wie rauschend wird Ihre Feier zum 75. Geburtstag?
Heute gibt es ein großes Kellerfest für Familie und Wahlverwandtschaft bei uns im Haus am Kaiserplatz. Am Freitag folgt ein Empfang der Stadt im riesigen Alten Rathaussaal. Und am Sonntag „Ude & Friends“ im Prinzregententheater.
Das Interview führten Klaus Vick und Peter T. Schmidt