Sie wäre heute 51 Jahre alt. Doch am 15. September 1981 kam Ursula Herrmann auf grausige Weise ums Leben. In einem Waldstück bei Eching am Ammersee war die damals Zehnjährige abends vom Fahrrad gezerrt und in eine unterirdische Kiste gesperrt worden, wo sie später erstickt ist.
Wer ist der Mörder von Ursula? Und warum musste das Mädchen sterben? Seit mehr als 41 Jahren quälen diese Fragen Michael Herrmann (59) – er ist der Bruder des Mordopfers. Ihn hat der Bezahlsender „Sky“ nun ins Zentrum einer spannenden Dokumentation gestellt, die den Fall neu beleuchtet. „Das Mädchen in der Kiste“ heißt der 90-minütige Film, der ab morgen ausgestrahlt wird und Zweifel an der Täterschaft von Werner M. nährt. Er war 2010 vom Landgericht Augsburg wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Doch Werner M. bestreitet bis heute die Tat. „Ich wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt für ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe“, sagt er in der Dokumentation. Seit 2008 sitzt er in Haft. Fakt ist aber: Beweise für seine Schuld hat es nie gegeben. Verurteilt wurde der heute 72-Jährige allein aufgrund von Indizien. Angehörige von Ursula Herrmann sowie führende Gutachter glauben nicht mehr an die Schuld von Werner M. – denn mittlerweile gibt es neue Hinweise. Vor allem in Bezug auf das Tonband-Gerät: Nach der Entführung von Ursula Herrmann war ihre Familie mehrfach angerufen worden. Abgespielt wurde eine Tonspur, auf dem der Bayern-3-Jingle zu hören war. 27 Jahre nach der Tat wurde das Gerät bei Werner M. gefunden, der als technisch versiert galt. „Dieses Tonbandgerät war wesentlicher Bestandteil der Verurteilung“, sagt sein Anwalt Walter Rubach unserer Zeitung. Gutachter hatten es als „wahrscheinlich“ eingestuft, dass das bei M. gefundene Gerät das Tatmittel war. Heute wird das angezweifelt. Die Filmemacher haben dazu ein neues Gutachten erstellen lassen, das zum Ergebnis kommt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Tonspur wirklich von Werner M.s Gerät kam, liegt bei eins zu fünf Millionen. „Dieses Verbrechen hat mein Leben verändert. Ich habe nie ganz abschließen können“, sagt Michael Herrmann bei „Sky“. Über die Ermittlungen und den Gerichtsprozess sagt er, „dass da ganz viel schiefgelaufen ist“. Richter, Ermittler und Zeitzeugen kommen in der Doku vor, die auch mehr als vier Jahrzehnte nach der Tat aufwühlend und intensiv ist. Denn darin werden etliche Originalstücke von damals gezeigt: Ursulas Kleidung etwa – oder die Kiste, in der sie gestorben ist. Wegen Werner M.? Das zweifelt „Sky“ zufolge nun auch ein Schriftgutachten an, das zum Erpresserbrief erstellt wurde. Demnach war der wahre Täter viel jünger. Rubach glaubt: „Die Mittäter, die es gegeben haben muss, laufen noch frei herum.“ Denn die Logistik – vom Bau der Kiste, über die Beobachtungsschneise im Wald bis zum Erpresserbrief – war „sehr aufwendig“.
Werner M. sei heute „ein alter, kranker und gebrochener Mann“. 2023 kann er erstmals einen Antrag auf Haftentlassung stellen – dann hat er 15 Jahre Haft verbüßt. Das Verbrechen hingegen ist längst verjährt. „Der Fall wird wohl nie aufgeklärt werden“, sagt Herrmann bei „Sky“. „Er ist nach wie vor an der Wahrheit interessiert“, ergänzt sein Anwalt Joachim Feller. „Es ist eine Narbe, die bleibt.“