Gefängnis schreckt Klima-Aktivisten nicht ab

von Redaktion

VON LEONI BILLINA

München – Längst sorgen die Proteste der Klima-Aktivisten für heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit. Viele sind genervt, fordern härtere Strafen – doch die Aktivisten kündigen an, weiter zu protestieren. Auch wenn sie dadurch hinter Gittern landen. Die „Bild“ zitiert die Gruppe „Letzte Generation“ mit den Worten: „Lasst uns diesen Moment weiter aufbauen und schon bald mit der nächsten Welle an Menschen weitere Zellen füllen. Wir werden mit mehr und mehr Menschen nach Bayern gehen und vom Staat weggesperrt werden.“

Der Auslöser dieses Aufrufs: Nachdem sich vergangenen Donnerstag Klimaschützer der „Letzten Generation“ am Stachus auf der Straße festgeklebt und den Verkehr blockiert hatten, müssen nun einige von ihnen 30 Tage in Polizeigewahrsam. Das Amtsgericht hat für zwölf Aktivisten ohne Prozess eine Gewahrsamnahme bis Anfang Dezember angeordnet. „Das ist sehr, sehr selten, dass das angewendet wird, das ist wirklich ein großer Ausnahmefall“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums der Deutschen Presse-Agentur. Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz können Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern. Dieser Zeitraum kann um maximal einen Monat verlängert werden.

Einer der Inhaftierten ist Jakob Beyer. Er zeigt sich in einer Pressemitteilung der „Letzten Generation“ kämpferisch: „Wir wollen nicht euer Mitleid. Wir wollen, dass ihr alle auf den Straßen Widerstand leistet.“ Ein Ende der Proteste scheint also nicht in Sicht. Das wird jedoch in Zukunft weiterhin mit der Gefahr verbunden sein, im Gefängnis zu landen. So will nach Informationen der „Bild am Sonntag“ die Union Aktivisten mit härteren Strafen belegen. Ein entsprechender Antrag, der diese Woche eingebracht werden soll, werde derzeit vorbereitet. So soll Straßenblockierern, die die Durchfahrt von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdiensten behindern, eine Mindestfreiheitsstrafe drohen, außerdem sollen Aktivisten bei Wiederholungsgefahr vorbeugend in Haft genommen werden – wie es in Bayern bereits der Fall ist.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“ auf die Frage, wie lange die Politik die Klima-Aktivisten gewähren lasse: „Wir greifen durch. In Berlin laufen mehr als 700 Strafverfahren gegen Klima-Aktivisten, davon wurde bislang nur eines eingestellt. Es sind bereits mehr als 240 Strafbefehle ergangen.“ Auch nach Ansicht von Tübingens OB Boris Palmer gehen die Aktivisten zu weit. Dem „Tagesspiegel am Sonntag“ sagte er: „Sie versuchen die grundlegenden Regeln unseres Zusammenlebens außer Kraft zu setzen und gefährden Menschenleben.“

Aufseiten der Befürworter der Proteste steht Jesuitenpater Jörg Alt. Auch er beteiligte sich Ende Oktober bei einer Klebe-Aktion am Stachus. Nun zeigt er sich schockiert angesichts der Konsequenz, mit der in München vorgegangen wird. „So etwas kenne ich sonst nur aus afrikanischen Diktaturen.“ In einem offenen Brief an den Landtag kritisiert er das Vorgehen gegen die Aktivisten. Mehr Besonnenheit mahnt der Publizist und Klimaschützer Franz Alt an. Manche Kommentare in den Medien halte er für glatt daneben. Den Aktivisten wiederum riet er zu mehr Fingerspitzengefühl.

Der Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin sagte derweil der Katholischen Presseagentur, es gebe grundsätzlich das Recht zu zivilem Ungehorsam gegen schwerwiegende Ungerechtigkeiten. Und „interessierte Kreise“ stürzten sich jetzt nur auf die Aktionsformen, statt sich mit den Inhalten der Protestaktionen auseinanderzusetzen. Dennoch teile er die Befürchtung der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast, „dass die Aktionen in eine Sackgasse geraten sind und damit ihre Wirkungen verfehlen“.

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