Handwerk sucht goldenen Boden

von Redaktion

VON SASCHA KAROWSKI

Manche Probleme wird wohl auch die Politik nicht lösen können. Weil Angestellte beim Ausliefern der Waren zum Teil auf Fuß- oder Radwegen halten müssten, würden die Fahrer oftmals beschimpft, sagt Bäckermeister Heinrich Traublinger. „Es vergeht keine Woche ohne Beschwerden aus einer Filiale.“ Und davon hat das Münchner Unternehmen 21. Traublinger wünscht sich mehr Verständnis der Münchner für gewisse Notwendigkeiten. Mehr Leben und leben lassen. „Aber das werden wir heute nicht beschließen können“, sagt Traublinger. Beschließen können auch CSU und Freie Wähler alleine nichts – aber Hilfen für das Handwerk beantragen. Das hat die Fraktion am Donnerstag getan.

Die Stadträte wollen unter anderem auch in Parklizenzgebieten Parkplätze für Handwerker gut verteilt ausweisen. Zudem soll die Erhöhung der Preise für den Handwerker-Parkausweis von 120 auf 360 Euro zurückgenommen werden. Die Erreichbarkeit der Kunden sei ohnehin längst nicht mehr gegeben, sagt Sophia Fronius, Geschäftsführerin von Fronius Haustechnik aus Ismaning. Als Klempnerin sei sie zwingend auf ihre Werkzeuge angewiesen, ganz zu schweigen von den Materialien. Sie habe schon Neukunden ablehnen müssen, weil diese keine Parkmöglichkeit gestellt hätten. Einen Parkausweis hat sie nicht, zu teuer. „Für die paar Mal gehe ich das Risiko eines Strafzettels ein.“

Apropos Risiko: Wer keinen Parkschein zieht, weil er nur mal eben schnell zum Bäcker will, soll künftig ungeschoren davonkommen, fordern CSU und Freie Wähler. Dazu soll an allen Parkautomaten eine sogenannte Semmeltaste installiert werden. Sie ermöglicht kostenfreies Parken für 15 Minuten. Das Modell gibt es beispielsweise bereits in Köln, allerdings als „Brötchentaste“.

Damit das Handwerk auch künftig in München goldenen Boden hat, wüschen sich die Stadträte bei A-Gewerbeflächen auch klein parzellierte Flächen, die von Handwerksbetrieben kleiner und mittlerer Größe genutzt werden können.

Dass es in München zu wenig Flächen für Gewerbe gibt, hat auch Olaf Zimmermann, Chef von Heizung Obermeier, festgestellt. Sein Betrieb im Lehel musste weichen, weil Anwohner geklagt hatten. Zu laut. Er fand schließlich eine neue Heimat im Werksviertel, die Suche sei aber schwierig gewesen. Die neuen Räume seien kleiner, die Kosten höher. Aber wenigstens gut angebunden. „Wir haben sechs Lehrlinge, die schauen bei den Betrieben auch schon darauf, wie gut die erreichbar sind.“

Um Handwerker und Azubis besser und zeitgemäß zu vernetzen, soll die Stadt auf Wunsch von CSU und Freien Wählern ein Online-Portal samt App schaffen. Denkbar sei die Struktur einer Dating-App, bei der die Bewerber anhand von Basis-Infos und Bildern Interesse an einem Unternehmen bekunden können und dann ein Dialog möglich wird. Zudem soll bei allen Bauvorhaben der Stadt günstiger Wohnraum für Azubis und Lehrlinge mitgeplant werden. „Mit jedem Handwerksbetrieb, der die Stadt verlässt, verliert München ein Stück Lebensqualität“, sagt CSU-Chef Manuel Pretzl. Wer daheim einen Wasserschaden oder Stromausfall hat, möchte sicher nicht warten, bis ein Handwerker aus dem Umland angereist ist. „Wir brauchen Handwerker als Nachbarn in unseren Stadtvierteln.“

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