Es ist eine gut gemeinte Sache. Aber wie so oft in den vergangenen Monaten hat es in der grün-roten Rathaus-Koalition gewaltig gekracht, ehe man zu einem gemeinsamen Ergebnis kam. Im aktuellen Fall geht es um die weitgehende Beibehaltung der Gebührenfreiheit in den Kitas. SPD und Grüne wollen dafür das aktuelle Zuschusssystem der Münchner Förderformel in ein Vertragssystem umwandeln, das den Trägern die Defizite erstattet. Damit Kita-Plätze weiterhin kostengünstig und für Drei- bis Sechsjährige umsonst angeboten werden können.
Ein Lösungsvorschlag, für den die Sozialdemokraten unter Federführung von Bürgermeisterin Verena Dietl das Patent reklamieren. Den aber die Grünen noch vor der SPD am Montag öffentlich gemacht haben, was SPD-Fraktionschefin Anne Hübner auf die Palme brachte. Via Twitter ereiferte sie sich über den Koalitionspartner, sie habe in acht Jahren im Münchner Rathaus viel erlebt. „Aber selten so viel Unverfrorenheit wie jetzt von den Grünen.“ Der zuständige Bildungsreferent von den Grünen Florian Kraus habe lediglich den München-Pass-Besitzern noch die Gebührenfreiheit ermöglichen wollen. Es sei der SPD zu verdanken, „dass es jetzt einen gangbaren Weg gibt“, wetterte Hübner.
Zur Sache: Die Stadt war im Vorjahr gezwungen worden, ihr Förderkonzept zu ändern. Ein Gerichtsurteil hatte es nach der Klage eines privaten Kita-Trägers als rechtswidrig eingestuft. Denn von den niedrigen Gebühren profitieren nur Eltern, deren Kinder private Kitas besuchen, die sich der sogenannten Münchner Förderformel angeschlossen haben. Dies sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Träger, hieß es vom Verwaltungsgericht.
Die Lösung soll nun ein „Defizitvertragssystem“ sein. Den Trägern würden hierbei die notwendigen Personal- und Sachkosten finanziert, um die Kita-Gebühren gering zu halten. Im Antrag der Koalition heißt es: „Damit beim Träger kein Anreiz höherer Gebühren entsteht, werden Überschüsse durch entsprechend geringere Zuschüsse ausgeglichen.“ Die Defizitverträge, so sieht es der Plan vor, sollen allen frei gemeinnützigen und privaten Trägern sowie den Eltern-Kind-Initiativen in München angeboten werden. Dies will die Koalition im Januar beschließen. Eine Neuregelung der Kita-Gebühren ist laut Bildungsreferat ab August 2023 nötig.
Münchenweit gibt es derzeit 46 000 Kita-Plätze, davon 35 000 im gebührenreduzierten System. Für unter Dreijährige bezahlen Eltern höchstens 161 Euro, Drei- bis Sechsjährige sind kostenfrei. Um dies zu gewährleisten, bezahlt die Stadt 56 Millionen Euro im Jahr als Zuschuss an die Träger. Für die Kinder, die im gebührenreduzierten System keinen Platz gefunden haben und deren Eltern nicht das erforderliche Einkommen haben, zahlt die Stadt neun Millionen Euro pro Jahr wirtschaftliche Jugendhilfe. Zusätzlich fließen 80 Millionen Euro jährlich an freiwilligen städtischen Leistungen für bessere Qualität und mehr Bildungsgerechtigkeit an die geförderten Träger.
Bürgermeisterin Dietl erklärte gestern: „Die Kita-Gebührenfreiheit steht für uns außer Frage. Sie war eine der großen sozialdemokratischen Errungenschaften der vergangenen Jahre.“ Mit der Reform solle diese Entlastung der Münchner Familien beibehalten werden. Von einem „spannenden Modell“ spricht auch der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sebastian Weisenburger. Damit werde die Masse der Münchner Kindergärten erreicht. Weisenburger: „Wir wollen nicht mit der Gießkanne durchs Land gehen, sondern diejenigen Familien entlasten, die es wirklich brauchen.“
Zur Kritik Hübners an den Grünen sagte Weisenburger, man habe sich zwar geärgert, nehme diese Überreaktion aber nicht sonderlich ernst. „Man kennt das mittlerweile von ihr.“ Wichtig sei, dass man sich nun inhaltlich geeinigt und eine Lösung gefunden habe. Was übrigens auch Hübner im Schlusssatz ihres Tweets so sieht: „Für die Münchner Eltern zählt nur das Ergebnis. Deshalb behalte ich meine restlichen Gedanken für mich.“