Münchner in der Böller-Hölle

von Redaktion

VON REGINA MITTERMEIER

Eigentlich sollte es ein entspannter Jahreswechsel in Berlin werden – es kam anders für Karen und Wolfgang Ehmer aus Obergiesing. Der Berufschullehrer erinnert sich an die angsteinflößenden Zustände und hat sich deshalb auch an Berlins regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gewandt. Ein Rathaus-Sprecher hat ihm zwar geantwortet, aber Wolfgang Ehmer (62) fühlt sich nicht ernst genommen. Er glaubt, dass die Geschehnisse an Silvester unterschätzt und kleingeredet werden.

Eigentlich wollten die Ehmers das Jahr schön ausklingen lassen mit ihrem Ausflug nach Berlin, auch der jüngste Sohn Simon (25) war dabei. Doch sie fühlten sich schon vor dem Jahreswechsel unsicher. „Der Wahnsinn hat am 30. Dezember angefangen“, berichtet Wolfgang Ehmer. An dem Tag lief er über den Ku’damm. „Männer haben ohne Rücksicht auf Passanten mit Böllern und Raketen geschossen.“ Keiner sei eingeschritten, sagt er. Das habe ihn erschüttert.

Am 31. Dezember abends saß das Ehepaar in einem Lokal am Savignyplatz in Charlottenburg. Danach, gegen 22 Uhr, wollten Wolfgang und Karen Ehmer noch durch die Stadt spazieren und später das Feuerwerk anschauen – aber Raketen und Böller durchkreuzten ihre Pläne. Denn junge Männer zündeten an der Kantstraße nahe dem Savignyplatz die Böller so, dass sie quer über die Straße flogen, sagt Wolfgang Ehmer. Seine Frau und er entschieden sich daher, zurück ins Hotel zu gehen. Aber wegen der chaotisch fliegenden Raketen wurde der kurze Fußweg zu einem regelrechten Spießrutenlauf. „Als wir endlich im Hotel ankamen, war die Lobby voller verängstigter Gäste“, erzählt er. Niemand traute sich mehr nach draußen. Was den Eltern dort in Charlottenburg widerfuhr, hat auch ihr Sohn erlebt. Er war zu der Zeit im Bergmannkiez in Kreuzberg – gewissermaßen in der Böller-Hölle. „Die Freunde haben die Wohnung nicht verlassen“, sagt Ehmer.

Die Debatte um die Berliner Silvesternacht brodelt seit Tagen. Einige Politiker fordern ein Verbot von Krachern – auch, weil es fast systematische Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte gab. Das sei erschreckend – aber eine unvollständige Darstellung der Ereignisse, sagt Ehmer. „Auch viele Bürger und Touristen wie wir waren in Gefahr.“ Auch das müsse diskutiert werden. Er fordert eine Debatte, die alle Dimensionen der Nacht beleuchtet. Dazu gehört für Ehmer auch: „Es waren nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund an dem Geböller beteiligt – aber auch.“

Für München wünscht sich Ehmer ein Feuerwerk, das von offizieller Seite an einem zentralen Platz organisiert wird. Auch Stadtpolitiker beziehen zum Thema Böllerverbot Stellung. In München brauche es kein generelles Feuerwerksverbot – da sind sich OB Dieter Reiter (SPD) und Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) einig. Dennoch gebe es Nachbesserungsbedarf, sagen beide und stimmen damit CSU-Chef Manuel Pretzl zu. Aktuell besteht ein Feuerwerksverbot in Teilen der Altstadt sowie ein Böllerverbot innerhalb der Umweltzonen des Mittleren Rings.

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