Stau kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch Geld. Allein in München verlieren Arbeitnehmer in den Blechlawinen stolze 746 Euro im Jahr. Zu dem Schluss kommt die neue Studie des Verkehrdienstleisters Inrix. Das Unternehmen hat Stau- und Mobilitätsdaten in mehr als 1000 Städten in 50 Ländern ausgewertet. Und zudem ausgerechnet, was Berufstätige in dieser Zeit an Geld hätten verdienen können und dafür die Hälfte des durchschnittlichen Stundenverdienstes zugrunde gelegt. Demnach kostet der Zeitverlust in Deutschland im Schnitt 399 Euro. Das sind 28 Euro mehr als 2021 – aber weniger als in München.
Und auch ansonsten bleibt München Spitze. Der Studie zufolge ist die Landeshauptstadt nach wie vor die am meisten mit Stau belastete Kommune in Deutschland: 74 Stunden im Jahr stand man hier Stoßstange an Stoßstange. Auf den Plätzen folgen Berlin mit 71 Staustunden und Hamburg mit 56. Potsdam erreicht mit 55 Stunden Platz vier, Darmstadt (47) und Leipzig (46) Rang fünf beziehungsweise sechs. Es gibt aber auch gute Nachrichten, denn immerhin verbrachten Pendler in München 2022 fünf Stunden weniger im Stau als noch 2021, während der Zeitverlust in Hamburg (47 in 2021) und Berlin (65 in 2021) stieg. Damit sind München, Köln und Nürnberg die einzigen Städte in den Top Ten, die einen Rückgang verzeichnen.
Es geht aber auch schlimmer: In London etwa mussten sich Pendler stolze 156 Stunden gedulden, in Chicago 155 Stunden und in Paris 138 Stunden. Für Palermo (121 Stunden) ermittelte Inrix eine Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade mal 14 Stundenkilometern in der Innenstadt. In München sind es 18.
Dies hält aber anscheinend nur wenige Menschen vom Autofahren ab: Das Verkehrsaufkommen, gemessen in Fahrzeugkilometern an Wochentagen, stieg um 21 Prozent im Vergleich zu 2021 und liegt damit sogar um acht Prozent über dem Niveau von 2019. Busse und Bahnen tun sich indes weiterhin schwer – ihr Fahrgastaufkommen lag im ersten Halbjahr 2022 immer noch gut ein Fünftel (21 Prozent) unter dem des ersten Halbjahrs 2019.
Wie schon im vergangenen Jahr führt der Mittlere Ring in München die Liste der staureichsten Straßen in Deutschland an, diesmal allerdings mit dem Abschnitt zwischen Stettner- und Plinganserstraße. Wer diese Strecke im Jahr 2022 regelmäßig zu Stoßzeiten fuhr, für den summierten sich die täglichen 13 Minuten Zeitverlust auf 51 Stunden im Jahr. Auch das ist deutschlandweit Spitze.
„München, Berlin und Hamburg im Jahr 2022. Die größten Städte in Deutschland, leider auch mit dem kleinsten verkehrspolitischen Sachverstand“, sagt der Vorsitzende des Automobilclubs Mobil in Deutschland, Michael Haberland. 74 Stunden Wartezeit im Stau pro Jahr seien einer Weltmetropole unwürdig. „Wir nähern uns wieder der Reisegeschwindigkeit von Pferdekutschen an.“ Die grün-rote Regierung in München setze vermehrt auf das Fahrrad und verringere damit sukzessive den Platz für das Auto. „Auch wenn das zu mehr Stau, Schadstoffen und Aggressionen zwischen den Verkehrsteilnehmern führt. Hier herrscht Ideologie über Verstand.“ In eine ähnliche Kerbe schlagen FDP und Bayernpartei im Rathaus: Die groß angekündigte Verkehrswende habe „auch nach fast drei Jahren keinerlei Wirkung zum Guten entfaltet“, sagt Fritz Roth (FDP): In München mehrten sich die Staus, aber man schaffe immer noch viel zu wenig Anreize, um einen Umstieg auf den ÖPNV attraktiver zu machen. „Die Grabenkämpfe zwischen den Verkehrsteilnehmern, die von der Stadtratsmehrheit konstruiert werden, müssen endlich aufhören.“