Irgendwo in Frankfurt sollen sie stehen, die Koffer von Familie W. Eigentlich hätten sie am Sonntag bei ihrer Landung am Flughafen München ankommen sollen, aber sie sind wohl gar nicht mitgeflogen. Koffer-Chaos kenne er, sagt Sebastian W. (53). „Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Er weiß zwar, wo die Koffer stehen sollen – aber nicht, wann und wie er sie zurückbekommt. Bis dahin bleiben die Habseligkeiten von ihm und seiner Frau Naoka (50) verschollen – genau wie die Badehose von Sohn Leandro (7). Also müssen sie für seinen Schwimmunterricht schnell eine neue kaufen.
Familie W. aus Freising ist am Sonntag in Lanzarote in den Flieger gestiegen. Der Ärger fing vor Abflug an, denn die Maschine der Eurowings Discover holte sie zu spät ab. „Auch die Besatzung war verärgert“, sagt Bibliotheksmitarbeiter Sebastian W. Die Airline Eurowings Discover unterscheidet sich namentlich zwar von Eurowings, beide gehören aber zur Lufthansa-Gruppe. Sie fliegen nur unterschiedliche Ziele an.
In München ging der Ärger weiter. Nur ein Koffer auf dem Gepäckband gehörte ihnen, von den anderen fehlte jede Spur. Plötzlich stoppte das Karussell und ein Bildschirm zeigte an: Die Gepäckausgabe ist vorbei. „Viele andere Passagiere haben auch Koffer vermisst“, sagt W. Vor Ort konnte niemand helfen, also fuhr er frustriert mit seiner Familie heim. Er meldete die vermissten Gepäckstücke, erfragte über einen Code ihren Standort – und wartet seitdem.
Am Münchner Airport gibt es regelmäßig Gepäck-Chaos (siehe Kasten). Zuletzt hatten sich dort Ende Dezember hunderte herrenlose Koffer gestapelt. Eine Familie wartete wochenlang – und angelte sich ihre Tasche letztlich selbst. Seither seien die Kofferberge geschrumpft, teilt ein Flughafen-Sprecher mit. Der Eisregen hatte damals Gepäckstau verursacht. Mittlerweile hätten die meisten ihre Koffer wiederbekommen, heißt es.
Letztlich tragen jedoch die Fluggesellschaften Sorge dafür, dass Reisende ihr Gepäck zurückkriegen, sagt ein Sprecher von Flightright. Das Unternehmen klagt für Flugreisende Entschädigungen bei Verspätungen ein. Die Airports seien nicht für Aufgabegepäck zuständig, heißt es.
Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin von Eurowings Discover: Wegen der Windverhältnisse musste der Flieger anders starten – in nördlich statt wie üblich in südliche Richtung. Daher, so heißt es, wurden auch Koffer zurückgelassen, damit der Flieger leichter und die Sicherheit gewährleistet ist.
Dass das Gepäck Schwierigkeiten macht, wusste Sebastian W. schon vor Abflug. „Es hieß, dass wir wegen Problemen bei der Verladung später starten“, sagt er. Aber schon kurz darauf startete der Flieger doch, ohne weitere Infos für die Reisenden. Sebastian W. zweifelt an der Erklärung – fühlt sich vor allem aber alleingelassen. Warum wurde er am Flugtag nicht über den Verbleib der Koffer informiert? Und wieso erfährt er nicht, wann er sie wiederbekommt? Dazu sagt die Airline-Sprecherin nichts – und verweist darauf, dass Passagiere fehlendes Gepäck selbst melden müssen.