Beim Personal wird es haarig

von Redaktion

VON SOPHIA OBERHUBER

Das Lieblingswirtshaus hat einen Ruhetag mehr, der Bäcker schließt eine Stunde früher oder der Bus fällt ganz aus: Es fehlt an Personal in München – und zwar überall. In Zahlen drückte das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Mittwoch so aus: 10 067 freie Stellen in München könnte die Agentur für Arbeit (Stand Dezember vergangenen Jahres) sofort besetzen. Die Personalengpässe haben, da sind sich viele Experten einig, noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht.

„Wir haben auch einen Arbeitskräftemangel, weil es Wachstum gibt. München boomt“, sagt Simone Burger, Vorsitzende des DGB in München. Diese neuen Stellen müssten besetzt werden. Gleichzeitig gingen viele Menschen in Rente. Eine Lücke tue sich auf. Teils bewerbe sich in der Fertigung bei BMW nur eine einzige Person auf eine offene Stelle, wie Sibylle Wankel von der IG Metall berichtet. Hintergrund seien die hohen Lebenshaltungskosten in München. „Mit dem Grundentgelt in der Einfachmontage kann man letztlich hier nicht leben“, sagt Wankel. Also wechselten Beschäftigte in andere, besser bezahlte Branchen. Von diesem Mechanismus ist besonders die Gastronomie betroffen. Das weiß Tim Lünnemann von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten: „Der Lohn ist mitentscheidend darüber, wo ich arbeite.“ Die Rente vieler Babyboomer stehe zudem erst bevor. „Das, was auf uns zurollt, wird völlig auf die leichte Schulter genommen“, kritisiert er.

Auch Christian Kaiser, Landesinnungsmeister des Verbandes des bayerischen Friseurhandwerks, stuft die Situation als dramatisch ein. Kaiser betreibt einen Salon an der Implerstraße. Eine freie Stelle kann er nicht nachbesetzen – also arbeiten Kaiser und seine Frau sechs Tage die Woche. „Der komplette Nachwuchs bricht weg“, klagt Kaiser. Die Zahl der Auszubildenden im Friseurhandwerk sei im Vergleich zu den vergangenen 20 Jahren um mehr als 65 Prozent zurückgegangen.

Die Schwierigkeiten, Azubis zu finden, kennt auch Metzger Andreas Gaßner. „Es fängt häufig schon in der Kinderstube an – nämlich bei der Stellung des Handwerks in der Gesellschaft.“ Die habe sich inzwischen zwar etwas verbessert, dennoch müsse man „die jungen Leute abholen“ – beispielsweise auf Messen oder dem Tag des Handwerks, so der Vorstand der Metzgerinnung München.

In vielen anderen Bereichen kämpfen Arbeitgeber ebenfalls mit Schwierigkeiten. Der Verband Bayerischer Lehrer rechnet damit, dass dieses Schuljahr allein an Grund-, Mittel- und Förderschulen 4000 Lehrkräfte fehlen. Rund 60 Ausbildungsplätze bei der bayerischen Bereitschaftspolizei blieben im Jahr 2022 unbesetzt, so das Innenministerium. Immerhin gebe es aber noch mehr Neulinge als Ruheständler. In anderen Bundesländern sieht es einer Recherche der dpa zufolge aber düsterer aus.

Der Fachkräftemangel gehe zulasten der bereits Beschäftigten, so Burger. „Sie müssen es wuppen, wenn zu wenig Personal da ist.“ Lösungen seien deshalb nicht längere Arbeitszeiten oder gar eine spätere Rente, sondern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Außerdem fordert die DGB-Vorsitzende in München die Unternehmen dazu auf, Werkswohnungen für ihre Mitarbeitenden zu schaffen.

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