Sie entwickelt sich langsam zur unendlichen Geschichte: Die Generalsanierung des Gasteigs verzögert sich erneut. Bei der Suche nach einem Investor gab es offenbar nur einen Bewerber – der allerdings die erforderlichen Kriterien nicht erfüllt hat. Folge: Formaljuristisch muss die Ausschreibung aufgehoben werden. Und darüber soll der Stadtrat nächsten Mittwoch entscheiden.
Gleichzeitig soll die Verwaltung mögliche Szenarien prüfen. So steht im Raum, die Sanierung neu auszuschreiben. Oder die Stadt greift wieder selbst ein und saniert den Komplex an der Rosenheimer Straße in Eigenregie. Eine weitere Alternative wäre die Rückkehr zur sogenannten Grundsanierung. Das heißt: Der Gasteig würde allenfalls notdürftig instand gesetzt.
Die Rathaus-Politiker sind jedenfalls alarmiert. Statt vor einem Glaspalast steht die Stadt vor einem Scherbenhaufen. Und das nicht zum ersten Mal. Der Stadtrat entschied sich 2017 für die Generalsanierung. Baubeginn hätte 2021 sein sollen. Es gab einen Architektenwettbewerb, bei dem das Büro Henn mit Plänen einer mächtigen Glasfassade gewann. Die Regierung von Oberbayern kassierte die Ausschreibung aber wegen unzulänglicher Kriterien. Den neuen Wettbewerb gewann abermals Henn. Dann gab es Bedenken wegen des Urheberrechts, die SPD sprach sich in der Folge sogar für eine Grundsanierung (die kleine Lösung) aus. Grüne und CSU überstimmten die Genossen aber 2019. Ende 2020 sprach sich der Stadtrat schließlich für eine Investorenlösung aus – mit einem Kostendeckel in Höhe von 450 Millionen Euro.
Auch das hat sich nun vorerst zerschlagen: „Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Baukostensteigerungen – angesichts dieser Entwicklungen, die zum Zeitpunkt des Sanierungsbeschlusses niemand vorhersehen konnte – ist es wenig überraschend, dass sich kein Investor gefunden hat“, sagt SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor. Ihre Fraktion werde nun Optionen prüfen. Demnach ist eine neue Ausschreibung für die große Umgestaltung mit externem Geldgeber denkbar, oder die Stadt geht das Projekt doch in Eigenregie an. Auch eine Grundsanierung der Haustechnik ist wieder ein Thema, aber ohne Fassaden-Umbau.
Auch dafür müssten aber erst einmal Pläne erstellt werden, was das Projekt erneut verzögern wird. Gasteig-Chef Max Wagner hält davon nichts: „Die Generalsanierung ist die beste Lösung für München.“ Die Grünen wollen sich noch nicht festlegen. Denkbar ist demnach auch, dass die Isarphilharmonie in Sendling dauerhaft statt nur als Übergangslösung genutzt wird. Stadtrat Florian Roth: „Wir brauchen einen Neustart: kulturell, ökologisch und finanziell.“
Das „HP8“ in Sendling dient als Ausweichquartier für den Gasteig in Haidhausen. Es wurde am 8. Oktober 2021 mit einem Festkonzert der Münchner Philharmoniker in der neuen Isarphilharmonie eröffnet. Das Areal nahe der Brudermühlbrücke gehört den Stadtwerken. Auch Stadtbibliothek, Volkshochschule und die Hochschule für Musik und Theater sind dort nun beheimatet. Und zwar nicht nur übergangsweise, sondern wohl für einen längeren Zeitraum. Im Stadtrat besteht mittlerweile Einigkeit, dass der nahe der Isar gelegene Standort ideal für eine Mischnutzung aus Kultur, Wohnen und kleinteiligem Gewerbe ist. So sollen südlich des Kreativquartiers auch 450 neue Wohnungen entstehen. Die Isarphilharmonie bietet Platz für etwa 1900 Personen. Für etwa 40 Millionen Euro wurde ein Vollholzsaal gebaut.
CSU und Linke im Stadtrat gehen unterdessen auf die Barrikaden. Sie machen die amtierende Rathaus-Regierung für das Gasteig-Debakel verantwortlich. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl schimpft: „Die Verantwortung für das Planungsdesaster trägt die grün-rote Koalition: Mitten in der gut laufenden Vorbereitung wurde dem Wirtschaftsreferat das Projekt entzogen – rein parteipolitisch motiviert. Das war eine Vollbremsung für die Sanierung.“ Die Linke kritisiert, die Pannenspur um den Gasteig gehe in eine neue Runde. Die gläsernen Vorstellungen von einem Kultur-Megalith seien zu teuer, zu aufwendig und in Zeiten multipler Krisen unzeitgemäß.
Doch nicht nur der neue Gasteig steht auf der Kippe. Wie berichtet, hat sich auch der Freistaat beim geplanten Konzertsaal im Werksviertel eine Denkpause verordnet – wegen der hohen Kosten.