Robert Biermeier lehnt sich an seinen alten, dunkelblauen BMW, kreuzt die Beine und seufzt. „Ich bin großer Diesel-Fan“, sagt er. Der 37-jährige Teamleiter aus Obergiesing steht an einer großen Tankstelle an der Chiemgaustraße – unmittelbar am Mittleren Ring. Doch bald ist der Ring für ihn tabu, denn kommendes Jahr fällt die Ausnahmeregel für ihn als Anwohner weg. Das heißt: Diesel-Fan hin oder her – er braucht einen Plan B, weil er weiterhin in die Stadt fahren will. „Ich möchte demnächst einen Gebrauchtwagen kaufen“, erzählt er. „Allerdings scheidet ein E-Auto für mich aufgrund der fehlenden Lade-Infrastruktur bei mir daheim aus.“ Er ist deshalb noch unsicher, wie er seinen alten BMW ersetzt.
Wie soll man mit dem Diesel-Bann umgehen, wenn man auf sein Auto angewiesen ist? Vor dieser Frage stehen ab heute viele Bürger. In München betrifft das Fahrverbot nicht nur tausende Pendler und Touristen, sondern auch rund 80 000 der 785 000 in der Stadt angemeldeten Fahrzeuge. Denn kein Diesel-Fahrzeug mit der Abgasnorm Euro 4 oder darunter darf in die Umweltzone fahren. Der Grund: Die Stadt hält zwar seit Jahren die Feinstaub-Grenzwerte ein – nicht aber die für Stickstoffdioxid. Der Diesel-Bann soll Abhilfe schaffen.
Zurück zur Tankstelle an der Chiemgaustraße in Ramersdorf-Perlach. Wenige Meter von Robert Biermeiers BMW entfernt parkt Emel Ankit ihren Porsche an einer Zapfsäule. Die 37-jährige Hausfrau aus Giesing steigt aus, grinst und deutet auf den silbernen Cayenne. Der wuchtige Wagen überragt die zierliche Frau deutlich. „Schon seit Ende November fahren wir wegen des angekündigten Fahrverbots dieses Auto“, erzählt sie. Dafür haben sie und ihr Mann rechtzeitig ihren alten Diesel – einen VW Sharan – verkauft. In dem gebrauchten Porsche haben nicht nur alle ihre fünf Kinder Platz, sagt Ankit. Weil er mit Gas und Benzin fährt, profitiert sie zusätzlich vom günstigen Gaspreis.
Dem Diesel-Bann entgehen und obendrein Geld sparen: Das hat auch Jennifer Singer (34) geschafft. „Ich bin pünktlich weggezogen – zum Glück“, sagt sie. „Zuerst wollte ich mein Auto nachrüsten lassen, aber das wäre zu teuer gewesen.“ Deswegen wohnt die alleinerziehende Mama ab heute nicht mehr in München, sondern in Mertingen (Kreis Donau-Ries). Von dort aus kann die Baustoffprüferin weiterhin nach Garching zur Arbeit pendeln. „Das ist ideal“, sagt sie.
Ortswechsel: An einer anderen großen Tankstelle am Ring in Sendling-Westpark greift Daniel Fischer aus Eurasburg (Kreis Bad-Tölz-Wolfratshausen) zum Zapfhahn, um zu tanken. Auch sein massiger Mercedes-Firmenwagen schluckt Diesel. „Aber im Frühling lauft das Leasing für das Auto aus – vielleicht erfüllt das neue ja die Vorgaben“, sagt er. Fischer arbeitet als Geschäftsführer und fährt dafür etwa dreimal pro Woche in die Stadt. Wie er pendeln täglich Tausende nach München. Immerhin gebe es für diese Gruppe bereits eine Infrastruktur, sagt Fischer. „Ich werde wohl die Park-and-Ride-Möglichkeiten nutzen.“ Dabei parken Autofahrer ihren Wagen an einer Haltestelle außerhalb der Umweltzone und nehmen dort die Bahn ins Zentrum. Ganz aufs Auto verzichten kann Fischer allerdings nicht. Denn bei ihm daheim in Eurasburg gibt’s keinen Bahnhof.
Miroslav P. dagegen sieht keine Alternative für sich. „Ich werde wahrscheinlich trotz des Verbots in die Umweltzone fahren“, sagt er. Der 42-jährige Busfahrer aus Inning am Ammersee zuckt mit den Schultern. „Was bleibt mir anderes übrig?“ Er erklärt: „Ich muss für meinen Nebenjob morgens um 4.30 Uhr daheim losfahren – zu dieser Zeit fährt nichts Öffentliches.“ Freilich würden nachts noch Züge nach München fahren, sagt er. Aber selbst mit der spätesten Bahn käme er viel zu früh in der Arbeit an – und könne obendrein fast gar nicht schlafen vor Schichtbeginn. „Ich will und muss nebenbei arbeiten“, sagt er. Deswegen will er es riskieren, trotz des Fahrverbots mit seinem alten Diesel in die Stadt zu fahren.
Vielleicht könnten Schichtarbeitende aber demnächst ausgenommen werden.