Mariannes Schatzkammer

von Redaktion

Die Volksmusiksängerin wird 70 Jahre alt – und zeigt unserer Zeitung ihre Dirndl-Sammlung

VON MARIA ZSOLNAY

Das Paradies liegt hinter einer dunklen Tür, verborgen im Keller unter Neonlicht: Hunderte Dirndl in Samt und Seide, passende Schürzen in den leuchtendsten Farben, elegante Spitzenblusen, passende Blazer – die Karriere von Marianne und Michael Hartl, Deutschlands beliebtem Volksmusikduo, lässt sich in diesem Keller in ihrem Haus in Baldham wunderbar nachvollziehen. „Ich habe alle Dirndl aufgehoben, von meinem ersten Gwand, das ich mir von meinem Lehrgeld gekauft habe, bis hin zu den Dirndln von Lola Paltinger, die ich jetzt trage“, sagt Marianne, die ihre Schatzkammer zum ersten Mal exklusiv für unsere Zeitung öffnete.

Es ist ihr Reich, auch wenn Michael hier ebenfalls seine Westen und Anzüge hängen hat, ist es doch Marianne, die genau weiß, wo was hängt und in welchem Schrankerl was verstaut ist. Marianne Hartl – sie ist nicht einfach nur die Hälfte des Duos, sie ist „mein Leben und meine Liebe“, wie Michael sie vor zwanzig Jahren in seinem eigens komponierten Liebeslied hymnisch besang. Am kommenden Dienstag wird die gebürtige Münchnerin 70 Jahre alt – und blickt auf ein außergewöhnliches Leben zurück.

Ein Leben, das mit 20 Jahren eine entscheidende Wendung nahm: Die Steuerfachgehilfin Marianne Reiner, aufgewachsen in München-Giesing über dem Stehausschank ihres Vaters (und später dessen Haushaltswarengeschäft), lernt den jungen Sänger Michael Hartl kennen, der im renommierten Theater am Platzl jodelt. Für eine Schallplattenaufnahme braucht er eine Sängerin, er hört von der hübschen Marianne, die 1972 bei den Olympischen Spielen im kurzen Dirndl, mit weißen Kniestrümpfen und blonden Zöpfen die Besucher begeisterte – ebenfalls jodelnd.

„Wir hatten unser erstes Date am 17. Juli 1973 um 17 Uhr“, erinnern sich beide ganz genau. „Ich habe sie zu ihrem Lieblingsjugoslawen ins Tal ausgeführt“, weiß Michael. „Und was macht sie? Sie zahlt mit den Essensmarken aus ihrer Kanzlei!“

Mei, sie sei halt schon immer sparsam gewesen, entgegnet Marianne, deshalb wollte sie auch zu Beginn ihrer Karriere als Volksmusiksängerin nicht alles auf eine Karte setzen. Sie arbeitete weiter als Steuerfachgehilfin – und sogar Michael begann noch einmal eine Steuerfachlehre. „Aber das hatte keinen Sinn, er kann nicht gut mit Zahlen“, sagt Marianne und lächelt ihren Michael an.

Es gibt sie nur im Doppelpack – auch zum Geburtstagsinterview kommen beide. „Ich hab auch nie einen anderen Mann angeschaut, nicht einmal geflirtet“, sagt Marianne. Es gab immer nur ihren Michi. „Schon beim ersten Date 1973 haben wir uns geküsst! Zwei Wochen später zog er zu mir ins Kinderzimmer, auf neun Quadratmeter.“

Aus ihrer beider Leben wurde eins. Marianne und Michael fuhren von Auftritt zu Auftritt, man zog, samt ihrer Eltern, in ein größeres Haus bei München, zwei Söhne kamen dazu, Kindermädchen, Haushälterin, Sekretärin – und immer auch ein Hund.

Marianne und Michael haben mittlerweile vier Enkel (zwei Buben und zwei Mädchen) im Alter von zwei bis zwölf Jahren. 2016 gründeten sie den Verein Frohes Herz, mit dem sie bedürftige Münchner unterstützen. „Gerade unterstützen wir einen jungen Mann, der bei einem Unfall beide Arme verloren hat und mit Prothesen seine Ausbildung zum Landwirt machen will“, so Michael Hartl. Im Sommer wird es wieder ein Benefiz-Golfturnier geben.

Ein Leben, bestimmt von der Musik: 50 Jahre lang, 200 Musiksendungen, über 30 Platten und ausgezeichnet mit dem Bambi, der Goldenen Stimmgabel, der Krone der Volksmusik.

War auch in ihrer Welt immer alles so heil, wie von ihnen besungen? „Ich habe die Schattenseiten mit dem vielen Unterwegssein, immer in Hotels, gar nicht so wahrgenommen, denn der Erfolg hat uns beflügelt“, sagt Marianne heute. Streit gab’s schon auch, aber „wir haben es einfach weggeschoben, wir hatten gar keine Zeit dafür. Wir mussten funktionieren.“

Nach den Auftritten fuhren sie, wenn es ging, mitten in der Nacht nach Hause. Michael am Steuer, Marianne schlief. „Deshalb hab ich ihm am nächsten Tag immer Frühstück ans Bett gebracht, das wurde zum Ritual.“

Bis vor einem Jahr. Da änderte Michaels Schlaganfall ihr Leben radikal. Seitdem steht der heute 73-Jährige früher auf, macht Sport, isst Müsli, geht zur Therapie. Überhaupt – nach 50 Jahren auf der Bühne wird es Zeit, Abschied zu nehmen. „Unser Manager, der übrigens einst unser jüngstes Mitglied im Fanclub war, hatte die Idee zu unserer Abschiedstournee unter dem Motto: die Könige der Volksmusik“, verrät Marianne. Im Frühjahr 2024 soll es so weit sein.

Damit bis dahin alles gut geht, legen sie ihre Zukunft in Gottes Hände. „Wir sind beide katholisch und sehr dankbar für unser schönes Leben.“ Mariannes runden Geburtstag verbringen sie im sonnigen Süden, Golf spielen auf Teneriffa, später wird mit der ganzen Familie gefeiert. „Uns zieht es nicht nach Thailand oder in die Dominikanische Republik, wir freuen uns, wenn wir mit unserem Motorboot vor Kroatien schippern können.“ Aber ja, eines gibt’s noch auf der Wunschliste der Marianne Hartl: „Ich war noch nie in Venedig …“

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