Ja, es gibt ihn, den Faschingsmuffel. Er gehört zu jenen Spezies, die nicht vom Aussterben bedroht sind. Und wir kennen sein Argument: Lustig sein auf Knopfdruck? Nein, danke. Natürlich stößt dieser in diesen Wochen leider auch noch auf offene Ohren. Helau in Krisenzeiten? Geht gar nicht. Aber nicht nur Psychologen sind sich einig: 2023 ist es wichtig, sich mal zu amüsieren, miteinander zu feiern, die Sorgen und Ängste beiseitezuschieben.
Schon seit Jahrhunderten steht die 5. Jahreszeit dafür, Menschen den Alltag vergessen zu lassen. Mir gefällt ein Zitat des englischen Spätromantikers William Blake: „Was hat der Ernst des Lebens je für uns getan? Nichts! Man soll sich den Spaß nicht verderben lassen.“ Da bin ich ganz bei ihm. Ich liebe die Damischen Ritter, den Tanz der Marktfrauen, die für ihren Auftritt zu Weiß Ferdls „dem Wagen von der Linie 8“ sogar professionellen Tanzunterricht nahmen. Ein herrlich buntes Treiben. Faschingsfieber, ein Virus der ganz besonderen Art.
Zu meinen schönsten Erinnerungen zählt meine Saison als Faschingsprinzessin. Vierzig unvergessliche Nächte, von einer Veranstaltung zur nächsten tanzend. Nicht ganz so gern denke ich an ein Faschingsfest, auf dem die hässlichste Maske prämiert werden sollte. Ich gab mir alle Mühe, dem Motto gerecht zu werden. Eine breite Narbe zierte meine linke Gesichtshälfte, auf der anderen schien Blut aus einer Wunde zu tropfen. Ich sah nicht nur aus wie das Opfer eines Gewaltverbrechens – ich wurde tatsächlich zum Opfer. Man mied meine Nähe. Niemand wollte mit mir tanzen, und irgendwann setzte ich mich aus Protest auf die Tanzfläche, begleitet von mitleidigen Blicken. Lang, lang ist’s her.
Aber sich verkleiden – das ist bis heute für mich ein großer Spaß. Perücke auf, rote Pappnase und hinein ins Clownskostüm! Und schon ist man ein anderer Mensch, nicht nur was das Aussehen angeht. Dass man in dem bequemen Kostüm statt zwei auch vier Krapfen futtern kann, ohne, dass es zwickt, eine Zugabe. Dick ist man ja sowieso.
Aber ich gestehe – in aller Bescheidenheit: Als Schönheitskönigin von Schneizlreuth in einem Corpus von den Schultern bis zu den Oberschenkeln bin ich der Hit. Und natürlich werden bei meinem im wahrsten Sinne des Wortes starken Auftritt die Lieder von Volkssängerin Bally Prell gespielt. „Du schöne Münchner Stadt, sei tausendmal gegrüßt“. Spareribs, Bratwürste und Krapfen sorgen bis Mitternacht für das leibliche Wohl, zum Ausklang noch ein paar Weißwürst. 24-Uhr-Läuten… so geht’s auch.
Man muss einfach die Initiative ergreifen, um mit Freunden zu feiern, zu singen und zu zünftiger Musik von Bayern 1 das Tanzbein zu schwingen. Es sich narrisch gemütlich machen – das gilt in Krisenzeiten erst recht!
Übrigens: Ich kann noch einen Grund verraten, warum sich Faschingsmuffel bekehren lassen sollten. Auf meinem ersten Ball lernte ich einen feschen Cowboy kennen. Am Aschermittwoch gab’s ein Aschenkreuz auf die Stirn und später einen Ehering an meinen Finger. So weit muss es natürlich nicht gehen, wenn man sich am 17. Februar etwas Besonderes einfallen lassen möchte: Auf dem Aktions- und Gedenkkalender steht „der Tag der spontanen Nettigkeiten…“
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