Die Zahl der Straftaten in München ist gestiegen – wenn man das Jahr 2022 mit 2021 vergleicht. Das geht aus der neuen Kriminalitätsstatistik hervor, die am Freitag veröffentlicht wurde. Schaut man allerdings auf die Zeit vor Corona, ist die Verbrechensrate gesunken. Besonders auffällig ist ein deutlicher Anstieg der schweren Gewaltdelikte. Im Interview erklärt Polizeipräsident Thomas Hampel, was die aktuellen Zahlen für die Landeshauptstadt bedeuten.
Herr Hampel, die neue Kriminalitätsstatistik zeigt: Die Zahl der Straftaten ist gestiegen. Können sich die Bürger noch sicher fühlen?
Ja, wir haben einen leichten Anstieg um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2021 war wegen der Pandemie aber auch ein Sonderjahr. Vergleichen wir die aktuelle Zahl mit der Zeit vor Corona, also mit 2019, zeigt sich ein Minus von 6,2 Prozent. Was uns aber beschäftigt, ist, dass die Zahl der Gewaltdelikte zugenommen hat. Da sind wir auf einem schlechteren Stand als vor zehn Jahren. Es gilt immer noch: München ist die sicherste Millionenstadt in Deutschland.
Der Anstieg ist deutlich. Schon im Jahr 2021 hatte es ein zweistelliges Plus gegeben. Jetzt ist die Zahl von schweren Verbrechen wie Vergewaltigung, Mord und Totschlag noch einmal um fast 30 Prozent gestiegen. Viele Taten spielen sich in speziellen Vierteln ab. Drohen Gettos zu entstehen?
Wir haben keine No-go-Areas, in die man sich nicht mehr traut. Aber wir haben auffällige Jugendgruppen in verschiedenen Vierteln.
Welche sind das?
Es gibt mehrere Bereiche, die wir besonders im Blick haben: so zum Beispiel der Pasinger Hauptbahnhof mit den Pasing-Arcaden, Riem phasenweise und Milbertshofen/Hart. Der Stachus ist seit Jahren schon ein Treffpunkt. Deshalb haben wir dort auch eine Videoüberwachung.
Schrecken die Kameras denn mögliche Täter ab?
Bei uns gibt es ein mehrstufiges Konzept: Beispielsweise haben wir mit der Videoüberwachung sehr gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel im öffentlichen Personenverkehr. Wenn etwas passiert, können wir in vielen Fällen den Täter ermitteln. Früher wäre er unerkannt entkommen. Das schafft Vertrauen.
Präsenz zeigt die Polizei in der Messestadt, wo Jugendbanden für Schrecken sorgen. 2022 kam es dort zu einem Mord im Drogenmilieu. Kürzlich machten manche Bürger bei einer Podiumsdiskussion deutlich, wie sehr sie Angst haben. Zu Recht?
Der Anteil der Jugendlichen, die an solchen Hotspots auffällig werden, nimmt zu. Gerade im Bereich der Raub-straftaten. Jugendliche, aber auch Kinder rauben Markenkleidung, Geld und technische Geräte – insbesondere untereinander. Das ist ein Phänomen, das wir besonders im vergangenen Jahr festgestellt haben. In der Messestadt gibt es auch Drogengeschäfte. Wenn die schieflaufen, kann es zu Auseinandersetzungen kommen. Im Extremfall bis hin zum Tötungsdelikt. Solche Fälle sorgen für Unsicherheit in der Bevölkerung.
Was tun Sie dagegen? Was ist noch Teil ihres mehrstufigen Konzepts?
Unsere Präsenz ist ein wichtiger Erfolgsfaktor: Wir sind in den Vierteln verstärkt vor Ort. Zum Beispiel auch mit der Pferde- und Fahrradstaffel. Wir gehen in die Bezirksausschüsse, informieren in den Bürgerversammlungen. Wenn sich heute ein schwerwiegendes Delikt ereignet, fühlt sich der Bürger unsicher. Wie in Milbertshofen am Korbinianplatz: Auch da gab es nach einer tödlichen Auseinandersetzung sehr große Unsicherheit. Wir sind auch dort präsent. Es gab Festnahmen, die Täter kamen vor Gericht. Das zeigt den Menschen: Die Polizei nimmt das Thema ernst. Wir reden es nicht tot. Aber auch die Stadt kann etwas tun, um das Sicherheitsgefühl zu verbessern.
Was ist das konkret?
Die Beleuchtung spielt eine Rolle. Oder man kann Hecken zurückzuschneiden, um Orte besser einsehbar zu machen.
Gibt es da einen Austausch mit der Stadt?
Ja, natürlich. Wir sind in einem engen und vertrauensvollen Austausch mit der Stadt. Bei einem konkreten Fall von Jugendkriminalität schauen wir: Welche Erkenntnisse hat die Polizei, welche hat zum Beispiel das Jugendamt? Es ist auch möglich, Kontaktverbote zu erwirken. Grundsätzlich würde ich sagen, dass es bestimmte Bereiche gibt, in denen es zu Problemen kommt. Das Sicherheitsgefühl der Menschen ist aber nicht per se schlechter geworden.