Diese Tiere heilen Wunden

von Redaktion

VON SOPHIA OBERHUBER

Viele Menschen haben ein Haustier und wissen: Die Viecherl können zu richtigen Familienmitgliedern werden, die einem auch Trost spenden können. Diesen Effekt macht man sich auch in Kliniken und therapeutischen Einrichtungen zunutze. Wie Tiere bei Krankheit helfen können – unsere Zeitung berichtet von zwei Erfolgsgeschichten.

Neues Lebensglück

Jahrzehntelang hat Michaela A. in einer Führungsposition gearbeitet. Das Unternehmen war ihre Familie, sagt sie. Dann war plötzlich Schluss. 2020 wurde sie entlassen. Und für die heute 62-Jährige brach ihre Welt zusammen. Sie fiel in ein tiefes Loch. Herausgeholt haben sie Frida und Stani – eine Ziege und ein Pferd. Das tierische Duo wurde angeleitet von Isabella Roth und Martin Gschwendtner. Sie betreiben zusammen mit ihrer Schwiegertochter einen Begegnungshof im Norden Münchens.

Anfangs traute sich Michaela A. nichts zu. „Ich hatte vor allem und jedem Angst“, erinnert sie sich. Roth und Gschwendtner führten sie nach und nach zu den Tieren hin – mit langsamen Annäherungen und Spaziergängen. Erst zu den Ziegen, dann zu den Pferden. Bis Michaela A. ihre Angst überwand.

„Man spürt die Kraft und die Liebe der Tiere. Dieses: Ich tue dir nichts und du bist etwas wert“, sagt die 62-Jährige, die parallel auch eine Psychotherapie machte. Doch den Umstand, dass es ihr heute wieder gut geht, schreibt sie den Tieren zu. „Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.“

Hinter den Begegnungen auf dem Hof „Auf den Schrederwiesen 71“ stecken viel Arbeit, Leidenschaft – und vor allem eine professionelle Zertifizierung. Etwa eineinhalb Jahre hat die Fortbildung für tiergestützte Intervention gedauert, die Isabella Roth und ihre Schwiegertochter Claudia, die zudem Pädagogin ist, absolviert haben.

„Es soll eine Win-win-Situation sein. Für den Klienten und das Tier“, sagt Roth. Das sei nur möglich, wenn das Tier gesund ist und Roth dessen individuelle Grenzen genau kennt.

Endlich Papa sagen

Von den Ärzten hieß es anfangs, dass Jonas wegen eines Gendefekts nicht laufen lernen werde. Und dass er deshalb auch Probleme beim Sprechen haben werde. Heute ist Jonas sechs Jahre alt. Er rennt seiner Mama, Marita Balser, davon. Letztens habe er, einfach so, den Satz „Die Vögel zwitschern“ gesagt, erzählt sie. Für die Unterschleißheimerin ist klar: Diese Erfolge sind Ergebnis der Reittherapie, die ihr Sohn im Sommer 2021 begonnen hat.

Noch vor zwei Jahren konnte Jonas lediglich eine Handvoll Worte sagen. Eines davon: Mama. „Wir wussten aber schon immer, dass er uns trotzdem versteht und konnten uns auch ohne Worte verständigen“, erinnert sich Balser. Alles wurde anders, als der Verein „Luzia Sonnenkinder“ ins Leben der Familie trat.

Er organisierte und finanzierte die Reittherapie, die helfen sollte, Jonas Körperspannung zu verbessern. „Das Reiten bietet eine dreidimensionale Möglichkeit, die Muskeln anzusprechen. Das hilft wiederum die Sprachbarriere zu überwinden“, erläutert Balser.

Vier Wochen später geschah das Wunder: Plötzlich sagte Jonas nicht nur „Mama“, sondern endlich auch „Papa“. Tag für Tag kommen seither neue Worte dazu. „Wir sind so begeistert. Manchmal kriege ich Gänsehaut“, sagt Balser – vor allem, wenn sie daran zurückdenkt, was die Ärzte ursprünglich einmal vorhergesagt hatten.

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