Stadt will Wohnungen kaufen

von Redaktion

VON SASCHA KAROWSKI

Vor dem Haus Herzogstraße 92 in Schwabing fallen sich Mieter in die Arme. Eine Dame weint sogar, wird SPD-Fraktionschefin Anne Hübner später erzählen. Vor Glück – denn die Stadt wird das Hohenzollernkarree an der Herzogstraße kaufen. Das hat OB Dieter Reiter (SPD) bei einer Pressekonferenz direkt vor dem Hauseingang mitgeteilt. Stimmt der Stadtrat zu (wovon auszugehen ist), würde die Stadt für 125 Millionen Euro 230 Wohnungen kaufen und eben jenen Mietern einen günstigen Verbleib in München sichern.

Dass die Stadt zum Zug kommt, ist einem Anruf zu verdanken. Der Anwalt des Karree-Eigentümers habe sich gemeldet und das Areal angeboten, berichtet der OB. Drei Telefonate später war auch der Kaufpreis in seinem Sinne, ursprünglich stand eine Summe von über 200 Millionen Euro im Raum. Dass sich Immobilienbesitzer so rasch von ihren Vorstellungen verabschieden, sei ungewöhnlich, sagt Reiter. Doch bei Weitem kein Einzelfall mehr. Bei der Stadt sind mittlerweile über 60 Immobilien zum Kauf angeboten worden. Wie das Kommunalreferat auf Anfrage bestätigt, geht es um rund 2000 Wohnungen. Ein Gesamtwert lasse sich nicht beziffern. „Uns geht es zwar nicht schlecht“, sagt Reiter. Alles freilich werde sich die Stadt nicht leisten können. Zwar hat München im Vorjahr rund 550 Millionen Gewinn erwirtschaftet, auf der Ausgabenseite prangen aber Investitionen von über 1,5 Milliarden Euro. Der Schuldenstand wächst. Wie und wo genau eine Grenze für den Kauf von Wohnungen eingezogen wird, ist noch offen. Reiter sagt, dass es aber nicht darstellbar sei, Häuser zu kaufen, in denen die Mieten bereits bei 20 Euro oder mehr lägen.

Und überhaupt müsse die Stadt zunächst Kenntnis davon haben, dass Gebäude veräußert werden sollen. „Es ist ärgerlich, dass wir so etwas durch Zufall erfahren“, sagt Reiter. Das war mal anders, weil die Stadt in den Erhaltungssatzungsgebieten wie am Hohenzollernkarree ein Vorkaufsrecht hatte. Das wurde aber vom Gericht kassiert, die Ampel müsste Gesetze ändern. „Darauf warte ich immer noch“, sagt Reiter. Gleiches gelte für eine neue Kappungsgrenze, die festlegt, um wie viel Prozent Mieten in drei Jahren erhöht werden dürfen. In München sind es 15. Die Ampel will sie auf elf Prozent senken. „Fünf wären schöner“, sagt Reiter. „Man wird ja träumen dürfen.“

Apropos träumen: Der Kauf des Karrees ist für so manchen eher ein Albtraum. Reiter verwies auf die FDP etwa, die stets argumentiert, dass mit derlei Käufen keine einzige neue Wohnung entstehe. „Das stimmt sicher“, sagt Reiter. „Der Kauf ist aber derzeit die einzige Möglichkeit, Mieter zu schützen.“ Auch darüber könnte man weinen.

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