Ja, ich höre schon die Kritik an der Kritik. Weil die schärfsten aller Kritiker eines auf den Tod nicht ausstehen können: Kritik. Da werden sie plötzlich sensibel, zartfühlend, einfühlsam, halt unheimlich gefühlvoll. So abwehrend, so abwertend darf man sich einfach nicht äußern!
Von wem hier die Rede ist? Natürlich von den Kritikern unserer Sprache. Aber nicht irgendeines Jargons, an dem es vielleicht wirklich etwas auszusetzen gibt, sondern unserer Sprache schlechthin. Und aller Menschen, die sie skandalöserweise immer noch sprechen wie seit Jahrhunderten, obwohl wir schon vor Wochen belehrt wurden, dass man das keinesfalls tun darf. Unsere Babys zum Beispiel, die als erstes „Mama“ sagen lernen, dann „Papa“. Oder die Jugend, die hirnlos im Wirtshaus ein „Radler“ bestellt und sowohl das Gender-Sternchen als auch das weibliche „in“ am Schluss vergisst. Oder all die Leute, die noch auf dem „Bürgersteig“ spazieren, wo es doch „Bürger*innensteig“ heißen muss. Ja, nach Jahrzehnten mit „Black-Power“, „Black is beautiful“ und „Black lives matter“ ist es sogar schärfstens verboten, überhaupt noch „Black“ zu sagen, weil das jetzt „People of Colour“ heißen muss, als ob diese Menschen mit stattlichem Migrationshintergrund „rot und blau wie dem Kasperl sei’ Frau“ herumlaufen würden. Wer „Mama“ sagt, ein „Radler“ bestellt oder vom „Bürgersteig“ spricht oder gar von „Schwarzafrika“ redet, ist sexistisch, frauenverachtend und rassistisch.
So fast das ganze Volk abzukanzeln und zu züchtigen, macht wohl Spaß. Aber wehe, irgendjemand aus dem Volk sagt, dass er sich das Maul nicht von irgendwelchen Zuchtmeister*innen verbieten lassen will. Dann ertönt großes Wehklagen! Wie kann man nur so herzlos, brutal und aggressiv sein? Und warum halten sich die Kritiker der Sprachkritiker überhaupt mit solchen Nebensächlichkeiten auf, statt endlich das Klima zu retten und Krieg und Hunger zu beseitigen?
Ja Herrschaftszeiten, wer hat denn mit dem Unfug begonnen, im Kulturkampf um die Sprache jede Woche eine neue Sau durch jedes Dorf zu jagen, statt irgendwann einmal auch aufs Wesentliche, zum Beispiel auf die Realität zu kommen?
Vielleicht denken Sie jetzt: Das mag ja alles richtig sein, ist aber nicht so wichtig. Vorsicht! Dass man nicht mehr „Bürgerversammlung“ sagen darf, sondern „Bürger*innenversammlung sagen muss, ist sogar behördlich vorgeschrieben! Und „Mama“? Da wurde vergangene Woche der erste Schritt getan. Die Tagesschau sprach in einem Bericht über einen Gesetzentwurf statt von „Müttern“ von „entbindenden Personen“. Um Diskriminierungen zu vermeiden. Wer wird hier diskriminiert? Das weiß der Teufel, das macht den Ausdruck „Mutter“ ja so diabolisch. Müssen Babys dann künftig statt „Mama“ dann „meine entbindende Person“ sagen? Dieser Vorgang ist doch schon abgeschlossen, da ist das Präsenz völlig unangemessen. Also bitte: „Meine mich entbunden habende Person“. Ein bisschen Grammatik kann man den kleinen Windelscheißern schon abverlangen!
Der nächste Hammer kommt schon. Ich meine das Gleichstellungsgesetz. Obwohl ich jahrzehntelang mit zehntausenden Bürgerinnen und Bürgern über ihre Wünsche sprach, ist mir noch niemand begegnet mit der Forderung, alljährlich das Geschlecht und den Vornamen auswechseln zu dürfen (was in den USA schon ermöglicht hat, dass Männer im Frauenknast Vergewaltigungen begehen konnten). Wirklich! Mir ist niemand mit diesem Anliegen begegnet! Obwohl ich Transpersonen und andere sexuelle Minderheiten anwaltlich vertreten habe und jahrzehntelang Schirmherr des CSD war. Könnten die Ampel-Abgeordneten nicht mal öfter mit dem eigenen Ortsverein oder Wahlberechtigten aus dem eigenen Stimmkreis sprechen?
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