„So vom Hof gejagt zu werden – das haben sie nicht verdient“, sagt Eduard Wölbitsch. Der Karstadt-Betriebsrats-Chef zieht kämpferisch die Augenbrauen zusammen, als unsere Redaktion ihn gestern vor der Filiale am Hauptbahnhof trifft. Hier kämpfen er und seine Kollegen heute Vormittag mit einer Kundgebung gegen das Aus. Denn viele von ihnen stehen durch die Schließung des Hauses am 30. Juni vor dem Nichts.
Als Abfindung sollen sie zwei Monatsgehälter kriegen, aber höchstens 7500 Euro. Viel zu wenig, sagt Wölbitsch. Denn die Mitarbeiter schuften teils seit vielen Jahren für Karstadt. Die Belegschaft sei im Durchschnitt 52 Jahre alt – mit Menschen aus 27 Nationen. Viele werden nur schwer eine neue Stelle finden, fürchtet Wölbitsch. Daher müsse die Filiale bleiben – das ist eine seiner Forderungen. Denn durch die zentrale Lage spült es viele Kunden ins Geschäft. Der Umsatz stimmt. „Hoffentlich hat René Benko ein Herz.“ Benkos Signa-Gruppe hatte den Konzern 2019 übernommen. Dann die Schock-Nachricht vor rund einem Monat: Das Unternehmen gab bekannt, dass von 129 Galeria-Filialen 52 bis Ende Januar 2024 schließen sollen – auch das denkmalgeschützte Warenhaus am Bahnhofplatz. Das Gebäude wird aktuell saniert. Und danach hätte der Betrieb darin in kleinerer Form weitergehen sollen – so der ursprüngliche Plan.
Aber jetzt stehen die 250 Karstadt-Leute vor dem Ende – und zwar allein, sagt Wölbitsch. Zumindest habe OB Dieter Reiter (SPD) auf die Einladung zur heutigen Kundgebung nicht geantwortet. „Er hat mit keinem Wort gesagt, dass es ihm um die Filiale leidtut.“ Wölbitsch fordert, dass sich Reiter für den Erhalt einsetzt. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird heute fehlen. Karstadt-Mitarbeiterin Zerin Kader hatte den Landesvater
Ende März verzweifelt angefleht, Galeria zu retten (wir berichteten). Söder sagte damals, sein Wirtschaftsminister verhandle über die Zukunft des insolventen Konzerns. Versprechen wollte er nichts – Ziel sei es aber, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Wölbitsch fordert die Politiker auf, mit Investor Benko und Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz eine Lösung zu finden. Denn die drohende Schließung sei ein Schlag ins Gesicht vieler Mitarbeiter. Sie verzichteten schon seit einigen Jahren auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, erklärt Wölbitsch. Dadurch sollten Arbeitsplätze erhalten werden. Dass nun trotzdem Filialen dichtmachen, macht viele sauer.
Im Hintergrund der Szenerie sind Baumaschinen zu sehen: Der fünfstöckige Karstadt aus den 70ern wird abgerissen. Darin ist die Filiale derzeit untergebracht. Wölbitsch fordert auch, dass dieser Abriss unterbrochen wird, bis das historische Gebäude vorn saniert ist. Dann könnte die Filiale in den sanierten Altbau umziehen.
Sieht die Signa doch noch Chancen für den Erhalt? Dazu gab es bis Redaktionsschluss keine Info. rmi