Bis vor zwei Jahren lebte Stefan Sasse noch in der Maxvorstadt – genauer gesagt in einer Mietwohnung an der Türkenstraße 50. Doch dann erfuhr der 61-Jährige am eigenen Leib, wie das Viertel in die Hände großer Immobilienunternehmen und reicher Wohnungsbesitzer übergeht.
Sasse, der heute Abend beim Mieterstammtisch über sein Schicksal sprechen wird, ist mittlerweile kein Maxvorstädter mehr. Er hat in Haidhausen eine neue Wohnung gefunden – zum Glück. Denn seine alte Wohnung existiert heute nicht mehr. Stattdessen werden dort die Maxhöfe gebaut – sündteure Eigentumswohnungen. „Die Türkenstraße steht repräsentativ dafür, wie erschwingliche Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen umgewandelt werden“, sagt Sasse.
Dass auch er Opfer einer Entmietung werden könnte, deutete sich erstmals Anfang 2019 an. „Da habe ich mitbekommen, dass es einen Bauvorbescheid für das Grundstück gab, auf dem unser Haus steht“, erzählt er. Ob renoviert oder abgerissen werden sollte, sei nicht offen kommuniziert worden.
Außerdem fühlte sich der Münchner von den Behörden im Stich gelassen. „Von den Ämtern gab es keinerlei Auskunft“, sagt der 61-Jährige. „Der einzige Weg für die Betroffenen, überhaupt an Infos zu kommen, war über den Bezirksausschuss.“
Am Ende kam es, wie es in Zeiten der Gentrifizierung vielfach kommt: Am 31. Mai 2021 musste der 61-Jährige aus seiner Wohnung ausziehen – und war damit einer der letzten Mieter aus dem Haus, der das Feld räumte.
Heute schaut Sasse noch ab und an in der Türkenstraße vorbei – und ihm blutet das Herz. „Die ganze Straße ist eine durchgehende Baustelle.“ Auch das Nachbarhaus wurde abgerissen. Das Grundstück lag lange brach. „Die Eigentümer müssen ja nicht bauen, um Geld zu verdienen“, sagt Sasse angesichts der Wertsteigerungen für den Grund und Boden.
Und wenn gebaut wird, schauen die Mieter angesichts der Preise für die Eigentumswohnungen in die Röhre. Ein Missstand, der auch beim Mieterstammtisch am heutigen Donnerstag, 19 Uhr, im Café am Josephsplatz, Augustenstraße 112, diskutiert wird. Neben Sasse berichten dort auch andere Betroffene aus der Türkenstraße.