Eklat bei Streit um Flüchtlingsunterkunft

von Redaktion

VON NICOLE ZOBEL UND CAROLINE WÖRMANN

Rund 200 Bürger sind am Dienstag zur BA-Sitzung gekommen, allen geht es um die an der Servet-/Stummerstraße in Allach geplante Unterkunft für 290 Geflüchtete aus der Ukraine, die zum 1. Januar 2024 in Betrieb gehen soll.

Im März hat der Stadtrat acht neue Standorte für insgesamt rund 2000 Geflüchtete aus der Ukraine im Münchner Stadtgebiet festgelegt. Seither gehen Allacher Bürger gegen das Projekt auf die Barrikaden. Jüngst hat sich hier die Bürgerinitiative „AllachLiving“ gegründet, die sich als Umweltinitiative versteht. Sie argumentiert unter anderem damit, dass die bestehende Frischluftschneise erhalten bleiben müsse.

Während die Gegner offiziell um den Erhalt der Grünfläche kämpfen, sprechen die Zwischenrufe in der BA-Sitzung auch für eine andere Motivation: „Für den Bau von Unterkünften für Flüchtlinge hat die Stadt Geld, aber für unsere Kinder gibt’s keine Betreuung!“ ist nur eine von mehreren Unmutsäußerungen in der Sitzung.

Immer wieder muss Fuckerieder die rund 200 anwesenden Allacher im Zuge der Diskussion zur Ruhe rufen, die Stimmung kocht schließlich über, als eine Allacher Bürgerin provokativ fragt: „Muss es erst wie in Ostdeutschland ein schreckliches Erlebnis geben, wo eine Unterkunft abgebrannt ist?“

Die Äußerung sei nicht als Drohung zu verstehen, versucht Stadtrat Daniel Stanke (AfD) zu beschwichtigen. Der für seine ablehnende Haltung beim Zuzug von Migranten bekannte Politiker kommt an diesem Abend gleich zweimal zu Wort – an die vorgesehene Redezeit hält er sich dabei nicht. Stattdessen droht er den anwesenden Befürwortern der geplanten Unterkunft mit strafrechtlicher Verfolgung wegen Beleidigung. Er wendet sich zudem aktiv an eine Vorrednerin, die von Fuckerieder für ihre emotionale Meinungsäußerung und etliche laute Zwischenrufe zugunsten der Flüchtlingsunterkunft bereits mehrfach ermahnt worden war.

Zahlreiche Bürger, die gegen die Unterkunft sind, schließen sich mit Rufen wie „Raus mit dir!“ und „Hau doch ab!“ den Ausführungen Stankes an. Schlussendlich verweist der BA-Vorsitzende Fuckerieder die Frau der Sitzung. Seinen Schritt verteidigt Fuckerieder auch am Tag nach der Sitzung. „Ich würde das wieder tun“, sagt er. „In meiner Wahrnehmung sind beide aufeinander losgegangen.“

Die Bürgerinitiative (BI) fühlt sich unterdessen mit ihren Bedenken nicht ernstgenommen. BI-Mitglied Peter Ziegler geht in der Sitzung die BA-Politiker und Gerhard Mayer, den Chef des städtischen Amts für Wohnen und Migration, hart an. „Sie sprechen nicht mit uns – wenn es darauf ankommt, sehen wir uns vor dem Verwaltungsgericht!“ Rund eine Woche vor der Sitzung hat Ziegler dem BA einen umfangreichen Fragenkatalog zukommen lassen, der an die Stadt weitergeleitet wurde. Dass eine Bearbeitung durch die verschiedenen Referate mehr Zeit als eine Woche in Anspruch nimmt, will der Allacher nicht gelten lassen.

BA-Chef Fuckerieder betont aber am Mittwoch auf Anfrage dieser Zeitung, dass die Umwelt- und Naturschutzargumente „in Teilen vorgeschobene Gründe sind, um den Bau zu verhindern.“ Über die Notwendigkeit von Umwelt- und Klimaschutz müsse heutzutage nicht mehr diskutiert werden: „Dadurch ziehen solche Initiativen schnell die falschen Leute an“, glaubt Fuckerieder.

Das sieht auch Wohnungsamtschef Mayer so, der in der Sitzung zum Teil hart angegangen wurde. Er betont, dass die Stadt die Verpflichtung habe, die Geflüchteten unterzubringen. „In Allach haben wir die Sondersituation, dass es die Bürgerinitiative gibt, die mit dem unverdächtigen Thema Umweltschutz argumentiert“, sagt er. „Das nehmen die Rechten zum Anlass und springen auf.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Allacher vehement gegen eine Flüchtlingsunterkunft aufbegehren. Schon 2018 gründete sich eine Bürgerinitiative, die den Bau des Gewofag-Projekts „Wohnen für alle“ zwischen der Franz-Albert- und der Naßlstraße verhindern wollte. Auch damals das Hauptargument der Gegner: Raubbau an Grünflächen.

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