Für 49 Euro pro Monat durch die ganze Republik fahren: Eine tolle Sache, fand Barbara K. – und stellte sich pünktlich am 1. Mai in die Warteschlange des S-Bahn-Kundencenters am Hauptbahnhof. Doch als die 71-Jährige nach zwei Stunden endlich dran war, folgte die Ernüchterung: Sie bekommt kein Deutschlandticket. Sie sei am Schalter abgewiesen worden, weil man sie nicht für kreditwürdig halte. „Das war so peinlich“, klagt die Münchnerin.
Kein Ticket wegen schlechter Bonität: Dieses Thema ist nicht der einzige Fallstrick bei dem neuen Angebot (siehe unten). Auf der Ärger-Seite stehen lange Schlangen vor den Kundencentern. Auch der Fokus aufs Digitale und Probleme beim Abo-Wechsel dämpfen bei vielen die Freude. Als dickes Plus gilt dagegen der günstige Preis und (in der Regel) das einfache Grundprinzip: ein einziges Ticket für ÖPNV und Regio-Verkehr. Die Meinungen sind auch unter den Redakteuren unserer Zeitung geteilt (siehe unten). Die Günstig-Fahrkarte – top oder flop?
Barbara K. ist jedenfalls frustriert. Nach ihrem erfolglosen Versuch bat sie ihren Sohn, online ein Ticket für sie zu kaufen. Doch auch hier: kein Ticket wegen schlechter Bonität. „Ich habe leider Schulden von meinem verstorbenen Mann geerbt“, sagt sie. Sie hat ein Pfändungsschutzkonto, kurz P-Konto. Schuldner können so ihr Geld gegen eine Pfändung sichern. Ein P-Konto allein beeinflusst aus Sicht der Schufa zwar nicht die Kreditwürdigkeit, allerdings könnten Kreditgeber die Bonität geschmälert sehen.
Die Bahn bestätigt auf Anfrage, dass eine Bonitätsprüfung durchgeführt werde. Das sei bei Abo-Verträgen üblich. „Damit wollen wir das Risiko von Betrugsversuchen und Zahlungsausfällen minimieren“, so eine Sprecherin. In den Reisezentren könnten Kunden das Ticket aber mit Bargeld oder Karte zahlen. Bei der MVG prüfe man aktuell nicht, behalte sich eine Prüfung aber vor, sagt ein Sprecher. Auch auf dem Portal deutschlandticket.de erfolgt kein Check. „Wir ziehen zuerst über die SEPA-Lastschrift das Geld ein“, so das Unternehmen TransDev, dem die Domain gehört. Danach werde das Ticket versandt: „Das macht eine Bonitätsprüfung derzeit überflüssig.“
Der Vorfall lässt Barbara K. noch immer keine Ruhe. „Ich habe mich dermaßen geärgert. Es kann nicht sein, dass eine öffentliche Fahrkarte von der Schufa-Auskunft abhängt“, sagt sie. Dieses Ticket sei doch gerade für Leute gedacht, die nicht so viel Geld haben. Die Rentnerin wird vom Verein LichtBlick Seniorenhilfe unterstützt. Unter anderem hat der Verein bisher ihre MVV-Fahrkarte bezahlt. Und jetzt ihr 49-Euro-Ticket. Denn: Mit Hilfe ihres Sohnes konnte sie jetzt doch noch ein Abo abschließen. „Er hat seine Bankverbindung angegeben. Dann ging’s.“