Zehn Euro Buße für den Pattex-Pater

von Redaktion

VON ANDREAS THIEME

Die bayerische Justiz gilt gemeinhin als die härteste im ganzen Land. Sogar bundesweite Studien belegen, dass Angeklagte im Freistaat mit deutlich höheren Strafen zu rechnen haben. Ob Jörg Alt (61) diese Fakten kennt, ist nicht bekannt. In seinem Fall aber verhielt es sich nun genau andersherum: Der Nürnberger Jesuiten-Pater hatte sich Ende Oktober in der Münchner Innenstadt an einer Aktion der Klima-Kleber beteiligt und die Sonnenstraße blockiert. Seine Strafe jedoch ist historisch gering: Nur insgesamt zehn Euro muss Alt berappen.

Es ist ein ungewöhnliches Urteil, das noch bundesweit diskutiert werden könnte. Denn in ihrer Begründung hatte Amtsrichterin Schad ausgeführt, dass sie zwar den Tatbestand der Nötigung erfüllt sehe. Entsprechend erfolgte auch die Verurteilung von zwei weiteren Klima-Klebern, die mit der Gruppe Scientist Rebellion eine Fahrbahn der Sonnenstraße besetzt hatten. Ungewöhnlich aber war gestern, wie deutlich die Münchner Richterin ihre Sympathie für die Anliegen der Aktivisten zum Ausdruck brachte.

Diese seien „hochgebildet“ und nähmen sich zweifellos eines der drängendsten Probleme der Gegenwart an, sagte Schad. „Ihre Aktion wird der Klimabewegung helfen“, fügte die Amtsrichterin an – wohl auch zur Überraschung einiger Richter-Kollegen aus Bayern und weiteren Bundesländern. Denn erst vor vier Wochen waren in Heilbronn (Baden-Württemberg) drei Aktivisten für ähnliche Straßenblockaden für drei Monate ins Gefängnis geschickt worden – auch, weil sie angekündigt hatten, direkt wieder neue Straßen-Blockaden durchführen zu wollen.

Derlei Absichten hatten auch im Münchner Verfahren etliche Angeklagte vorgebracht, doch sie kamen mit Geldstrafen davon. Die Klima-Kleber geben stets an, kaum oder gar kein Einkommen zu haben. So auch Jörg Alt: Er verfüge als Ordensmann über „gar kein Einkommen“. Entsprechend winzig fiel seine Geldstrafe für das Festkleben auf der Sonnenstraße aus: zehn Tagessätze à 1 Euro.

„Bei der Abwägung habe ich das Demokratiegebot höher als das ebenfalls im Grundgesetz verankerte Klimaschutzgebot gewichtet“, begründete die Richterin – und betonte den Zeitdruck bei Klimaschutzmaßnahmen, auf den auch die Angeklagten verwiesen hatten. „Es kann durchaus sein, dass die Politik erst aufwacht, wenn es zu spät ist“, mahnte die Richterin. Erstaunlich: Eben diesen Grund hatten angeklagte Klima-Aktivisten in München stets hervorgebracht, um ihre Aktionen zu rechtfertigen.

Die Ansichten dazu gehen weit auseinander: In Potsdam hatte das dortige Landgericht am Montag eine Beschwerde gegen eine Großrazzia bei der Klimaschutzgruppe Letzte Generation vom Dezember zurückgewiesen und den Anfangsverdacht zur Bildung einer kriminellen Vereinigung bestätigt. Derweil argumentierte die Kollegin Schad am Münchner Amtsgericht: „Man kann solchen Protestformen nicht von vornherein die Rechtfertigung absprechen.“ Es sei noch nicht geklärt, bis zu welcher Dauer sie als noch nicht rechtswidrig gewertet werden könnten.

„Viel Brauchbares“ sei dabei gewesen, resümierte Jörg Alt das Urteil. Seine Verteidiger hatten Freispruch gefordert. Sie wollen nun prüfen, ob sie das Urteil angreifen. Selbst zehn Euro scheinen in diesem Fall zu viel an Strafe. Denn hier geht’s ums Prinzip.

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