Der tödliche Wahnsinn auf unseren Straßen

von Redaktion

Neue Ausstellung im Verkehrszentrum des Deutschen Museums widmet sich schweren Raserunfällen

VON ANDREAS THIEME

An der Fürstenrieder Straße erinnerte noch Wochen später ein Meer aus Blumen und Kerzen an ein tragisches Schicksal: Schüler Max (†14) wurde im November 2019 von einem Raser totgefahren – dieser war mit mehr als 120 km/h in der Stadt unterwegs. Fälle wie diese schockieren – denn „die Zahl der illegalen Straßenrennen hat während der Corona-Jahre dramatisch zugenommen“, sagt Gerrit Faust vom Deutschen Museum. „Allein in Bayern wurden im vergangenen Jahr 605 illegale Rennen registriert.“

Aus diesem Grund zeigt das Verkehrszentrum des Deutschen Museums ab Freitag nun eine Sonderausstellung mit dem Titel „Raser-Wahnsinn“, die rund ein Jahr am Bavariapark zu sehen sein wird. „Die Ausstellung befasst sich auch mit den mörderischen Folgen dieser Raserei“, sagt Gerrit Faust. „Ein zentrales Exponat ist das Wrack des Jeeps, in dem Michael Warshitsky 2016 in Berlin starb – als Opfer eines illegalen Straßenrennens.“ Die Raser wurden später wegen Mordes und versuchten Mordes verurteilt – es war bundesweit das erste Urteil, in dem Raser als Mörder gesehen wurden, die ihr Auto rechtlich gesehen als Waffe eingesetzt hatten. Weltweit sorgte dieser Fall für Aufsehen.

Der Sohn des Opfers, Maximilian Warshitsky, hat das Autowrack seines ermordeten Vaters für die Ausstellung freigegeben. „Es ist mir ein Anliegen, über diesen Fall zu informieren und zu zeigen, was die schlimmen Folgen von illegalen Straßenrennen sein können“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Er selbst hatte schwer zu tragen am Unfalltod und Verlust seines Vaters. „Er wurde kurz vor seinem 70. Geburtstag unerwartet aus dem Leben gerissen – und so sinnlos.“ Vor allem auf eine gerechte Bestrafung hatte Maximilian Warshitsky gehofft. Denn „man kann nicht behaupten, dieser Unfall sei aus Versehen passiert“.

So wertete dann auch das Gericht das Rasen als vorsätzlich: Mit bis zu 170 km/h hatten die beiden Fahrer sich auf dem Berliner Ku‘damm ein Rennen geliefert und Michael Warshitsky dabei gerammt – der Arzt war noch vor Ort an seinen schweren Verletzungen verstorben. Völlig demoliert wurde sein Jeep, der in der Ausstellung zu sehen sein wird – mit zersprungener Scheibe, auf der Seite liegend.

„Das Auto sieht schlimmer aus als in Hollywood-Filmen“, sagt Maximilian. Das Schicksal seines Vaters zu verarbeiten, „war für mich ein langer und schwerer Weg“. Einer der Täter hatte ihn nach dem Mord sogar kontaktiert: „Er hat sich entschuldigt, aber die Hand konnte ich ihm nicht geben. Die beiden Männer sind nicht nur für den Tod meines Vater verantwortlich, sie haben ihn auf dem Gewissen.“

Seit 2017 steht die Beteiligung an Autorennen unter Strafe. 2021 wurden in Bayern 210 Personen so verurteilt. Die Zahlen stiegen zuvor um mehr als 60 Prozent. 78 Personen wurden verurteilt, weil sie alleine gerast waren. Bayerns Justizminister setzt sich seit Jahren für härtere Strafen gegen „besonders rücksichtslose Verkehrsteilnehmer ein“ – andere müssten „besser vor Rasern und betrunkenen Fahrern geschützt werden“, fordert Georg Eisenreich (52, CSU). Das gelte auch für illegale Autorennen. Das geltende Recht müsse hier „nachgebessert werden“. Bis zu zehn Jahren droht Rasern, wenn sie den Tod eines Menschen verursachen und ihn vorsätzlich in Gefahr gebracht haben. „Diese Einschränkung halte ich nicht für angemessen“, sagt Eisenreich. Für eine Verurteilung müsse bereits die Fahrlässigkeit des Rasers ausreichen.

Auch Victor B. (38) war allein gerast – als erster Raser in München erhielt er lebenslang wegen Mordes. Das Schicksal des von ihm getöteten Schülers Max (†14) schockte ganz München. Am 15. November 2019 war er mit drei Freunden an der Fürstenrieder Straße aus dem Bus gestiegen – Sekunden später war Max tot. Denn Raser Victor B. (38) floh im Drogenrausch vor der Polizei, geriet auf die Gegenfahrbahn und raste spätabends im Dunkeln in die Schüler-Gruppe. Am Landgericht verurteilte ihn Richterin Elisabeth Ehrl wegen Mordes und sagte: „Es gibt nur wenige Verfahren, die sich so schwer in Worte fassen lassen.“ Denn Max wurde von dem BMW noch 50 Meter mitgeschleift und auch seine Freunde teils schwer verletzt. Ein unfassbares Drama für alle Beteiligten.

Bei einem anderen Fall war auch Alkohol im Spiel: Kiril L (23) raste über eine rote Ampel und krachte in ein anderes Auto – am Ende waren zwei seiner Bekannten tot. Fahrlässige Tötung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, seit Ende März wird dem Bulgaren der Prozess gemacht. In seinem Fall ging es nicht allein um die reine Geschwindigkeit: Rund 70 km/h hatte Kiril L. auf dem Tacho, als er am 7. August die Kreuzung an der Riesenfeldstraße überquert hatte. Doch er hatte auch 1,04 Promille Alkohol im Blut und ließ sich im Auto von seinen Bekannten ablenken. Beide waren nicht angeschnallt, als der Opel Vectra gegen einen Ampelmast prallte – einer wurde aus dem Auto geschleudert, der zweite zerquetscht. Der Strafprozess dauert noch an.

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