Gar nicht so einfach

von Redaktion

KOLUMNE Carolin Reiber zum internationalen Tag des Handschlags über eine besondere Geste

Sogar Oscar-Preisträger gerieten bei einer Audienz im Buckingham-Palast ins Schwitzen, wenn sich ihnen Elizabeth II. näherte. Jetzt nur nichts falsch machen, sich streng ans Protokoll halten: Niemals die eigene Hand entgegenstrecken! Warten, bis Ihre Majestät die Hand reicht – ohne ihre weißen, aus feinstem, auf Wildleder gebürsteter Baumwolle, Handschuhe sah man die Queen selten. Bei ihrem München-Besuch schützte sich auch Königin Camilla vor unliebsamen Keimen oder Schwitzehändchen. Auf dem Viktualienmarkt griff sie aber bei den angebotenen Käsehappen herzhaft zu. Sozusagen vom Handschuh in den Mund. Da hatte sich die Angst wohl kurz verabschiedet.

„Don’t touch – niemals anfassen!“ Auch das war bei Begegnungen mit Englands Monarchin oberstes Gesetz. Als Corona wie ein Damoklesschwert über uns schwebte, galt es plötzlich auch für uns. Wochen und Monate ohne Berührungen! Leicht fiel es nicht. Man tat sich schwer mit den neuen und seltsamen Begrüßungsritualen. Laut Studien waren wir Deutschen schließlich Weltmeister im Händeschütteln gewesen. Ellenbogen- und Fuß-Check, Ghetto-Faust oder am besten gleich einen Meter Abstand halten. Nur allmählich hat man sich wieder getraut, jemandem die Hand zu geben, zu umarmen oder gar ein Küsschen zu geben…

2009 rief eine amerikanische Beraterfirma den „Internationalen Tag des Handschlags“ ins Leben, um auf seine Bedeutung in der Gesellschaft aufmerksam zu machen.

In unserem Alltag hören wir diese Sätze häufig: „Klar, so machen wir es. Darauf gebe ich dir meine Hand!“ Verbindlicher geht es nicht. Nicht immer kann man sich auf diese Abmachung auch wirklich verlassen – es ist im Alltag schnell mal so dahingesagt. Aber bei Geschäftsabschlüssen kann ein Handschlag ebenso juristisch binden sein wie ein schriftlicher Vertrag. Allerdings sollte eine dritte Person diesen natürlich bezeugen können. „Das Wort des Mannes sei wie eine Säule. Und der Handschlag sei sein stummer Eid!“, schrieb einst ein Dichter.

Mir fällt gerade eine Szene ein, die für Schlagzeilen sorgte. Angela Merkel 2017 zu Besuch bei Donald Trump im Oval Office. Das obligatorische Foto: Die Staatsoberhäupter reichen sich die Hand. Der US-Präsident ignorierte diese Bitte und blickte stur geradeaus. Angela nahm den Affront mit Gelassenheit. „Na, dann halt nicht!“, schien sie zu denken. Jemandem den Handschlag zu verweigern, eine Beleidigung.

„Jeder Handschlag kann eine Brücke sein, auf der sich neue Freundschaften begegnen“, lautet eine Weisheit. Im Neuen Testament wird Paulus in Jerusalem „die rechte Hand der Freundschaft“ gereicht. Im Mittelalter war die Geste ein Zeichen dafür, dass man unbewaffnet war und friedliche Absichten hatte.

Auf jeden Fall könnte der Aktionstag auch dazu dienen, den eigenen Handschlag mal wieder zu überprüfen. Kommunikationstrainer bezeichnen ihn als Visitenkarte eines Menschen. Schließlich ist jeder schnell geneigt, Rückschlüsse auf den Charakter seines Gegenübers zu ziehen. „Meine Güte, das ist ja, als würde man seine Hand in einen Schraubstock legen. Aua! Da hat jemand so gar kein Feingefühl!“ Schlapp und schlaff? Auch nicht gut… „Na, da hat jemand aber so gar keine Energie!“ Knigge rät: Hände gerade halten, nicht länger als drei Sekunden festhalten. Oberste Maxime: dabei dem Gegenüber in die Augen sehen! Damen werden vor Herren begrüßt, Ältere vor Jüngeren. Empfängt man mehrere Menschen gleichzeitig, gilt: Entweder allen die Hand geben oder keinem.

Zum richtigen Händedruck gehört auf jeden Fall immer ein wenig Empathie, wenn er nicht nur als Floskel dienen soll. Der Aufruf jener Beratungsfirma, der wir den „Internationalen Tag des Handschlags“ zu verdanken haben: „Man sollte am 29. Juni mindestens einer Person, der man normalerweise vielleicht nur zugenickt hätte, die Hand geben und einen guten Tag wünschen.“ Eine schöne Idee….

Rainer Maria Rilke meinte: „Hände sind nie leer, die sich wirklich reichen…“ Im wahrsten Sinne des Wortes: Bei uns in Bayern wechselt bei einem warmen Händedruck oft ein Scheinchen den Besitzer. Und dieses kommt von Herzen…

CAROLIN REIBER

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