Ärger mit dem 49-Euro-Ticket

von Redaktion

VON JULIAN LIMMER UND ANDREA STINGLWAGNER

Die Probleme sind bekannt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) räumt ein: Die digitale und technische Umsetzung sei „noch nicht überall vollumfänglich abgeschlossen“. Die Kontrollen der Tickets liefen mittlerweile bereits besser als kurz nach der Einführung, jedoch komme es immer noch zu einzelnen Fehlern, so ein Sprecher. Zum Beispiel passiere es, dass gültige Tickets für den Kontrolleur nicht als solche erkennbar sind. Von „einigen Schwierigkeiten in der Anfangszeit“ spricht auch die Deutsche Bahn in München – großflächige technische Lücken seien jedoch nicht bekannt. Und der MVG liegen keine Zahlen zu Problemfällen vor. Insgesamt gelte in den ersten drei Monaten eine entsprechende Kulanz.

Odyssee im Bahn-Chat

Welchen Ärger man sich mit dem 49-Euro-Ticket einhandeln kann, das hat unsere Redakteurin Nicole Kalenda am eigenen Leib erfahren. Hier erzählt sie ihre Geschichte:

„Die DB Vertrieb GmbH hat mir geschrieben. Schon wieder. Sie gibt sich kulant. Statt eines erhöhten Fahrpreises von 60 Euro soll ich sieben Euro Bearbeitungsgebühr bezahlen. Was war los? Ich wurde kontrolliert. Ich besaß ein gültiges Deutschland-Ticket, konnte es aber wegen eines technischen Fehlers in der App nicht vorzeigen.

Die Kontrolle war am 15. Juni um 7.39 Uhr. Ich hatte das Deutschland-Ticket seit Anfang Mai. An jenem Donnerstag war in der Navigator-App auf dem Handy kein gültiges Deutschland-Ticket – nur das abgelaufene für Mai fand sich noch. Die freundlichen Kontrolleure sagten, das passiere zurzeit häufig – und rieten mir, bei der Fahrpreisnacherhebungsstelle anzurufen.

Ich prüfte mein Konto. Am 2. Juni hatte die DB erneut 49 Euro eingezogen. Warum hatte ich kein Ticket? Eine Telefonnummer fand ich nicht, also scannte ich den QR-Code auf dem Fahrpreisnacherhebungszettel. Ich landete im überlasteten Fahrpreisnacherhebungschat.

Ich schilderte das Problem. Als Antwort kam schließlich: ,Bitte verlassen Sie den Chat nicht.‘ Später hieß es, ich solle die Fahrkarte neu laden. Ich schrieb: ,Super! Wie mache ich das?‘ Die Antwort war kryptisch: ,Deinstallieren Sie die App neu.‘ Ich deinstallierte die App, installierte sie neu, das Ticket tauchte nicht auf. Ich kam noch dazu, einen Screenshot der Buchungsbestätigung hochzuladen, da flog ich aus dem Chat.

Ich schrieb eine E-Mail an den Abo-Service. Statt einer Antwort erhielt ich eine Buchungsnummer und die Info, man sei aufgrund des ,hohen Eingangsvolumens‘ kulant: ,Sollten Sie Ihr bestelltes Deutschland-Ticket noch nicht erhalten oder Schwierigkeiten beim Laden oder Aktualisieren Ihres Handy-Tickets haben, wird die Bestellbestätigung des Deutschland-Tickets vorübergehend, bis voraussichtlich Ende Juli 2023, als gültige Fahrkarte anerkannt.‘

Ich wandte mich wieder der Fahrpreisnacherhebung zu, bat um ein Telefonat. Ein Anruf kam nicht, stattdessen sollte ich die Bestellbestätigung des Tickets hochladen. Das tat ich, fügte einen Bankauszug bei. Der Eingang wurde bestätigt, meine Bitte um Hilfestellung bei der Ticket-Suche auf dem Smartphone blieb unbeantwortet. Eine Mitarbeiterin stellte Forderungen: ,Zur Prüfung des Sachverhalts schicken Sie uns bitte bis 07.07.2023 folgende Unterlagen: Kopie Ihres Deutschland-Tickets in Detailansicht inkl. amtlicher Lichtbildausweis, Geltungsbereich und Kaufzeitpunkt. Sollte Ihnen dieses nach wie vor nicht vorliegen, wenden Sie sich bitte an das zuständige Abo-Team.‘

Das konnte ich nicht, das Abo-Team hatte nicht geantwortet. Aber ich war per Internet-Recherche auf die Lösung gestoßen: Das erste Deutschland-Ticket war automatisch in der App aufgetaucht, für den zweiten Monat musste ich es mit der Abonummer hinzufügen. Also lud ich alles noch mal hoch, dazu das Ticket und Fotos meines Personalausweises. Ich dachte, damit sei alles erledigt – bis die Aufforderung kam, ich solle sieben Euro zahlen.

Ich fahre oft Bahn. Meistens klappt die Kommunikation. In den vergangenen zwei Wochen habe ich um einen Anruf gebeten und zweimal meine Telefonnummer hinterlassen. Niemand wollte mit mir reden, niemand erklären, wie ich an mein bezahltes Deutschland-Ticket komme. Ich habe getan, was in No-Reply-Mails verlangt wurde. Ich war immer um einen freundlichen Ton bemüht. Und jetzt soll ich eine Bearbeitungsgebühr zahlen? Ich werde Widerspruch einlegen.“

Falscher Name im Scanner

Auch Eva Maria H. aus München hat ist das 49-Euro-Ticket zum Ärgernis geworden. Trotz gültigem Fahrschein wurde sie als Schwarzfahrerin abgestempelt.

Die 46-Jährige war im Regionalexpress nach Landshut unterwegs, in der Tasche hatte sie ihr Deutschland-Ticket auf Papier. Darauf steht ihr Name, rechts ein Code. Bei der Fahrscheinkontrolle scannt die Kontrolleurin den Code und blickt streng: Der Code stimme nicht mit dem Namen überein, sie sei mit dem Ticket eines anderen unterwegs. Prompt wird Eva-Maria H. eine „Fahrpreisnacherhebung“ von 60 Euro ausgehändigt. Die Münchnerin ist sauer, geht in Landshut an den Bahnschalter. Dort wird ihr Ticket noch mal gescannt – jetzt passt alles. Die 60 Euro werden zurückgenommen, aber: Sieben Euro müsse sie zahlen, sie habe ihr Ticket „nachträglich vorgezeigt“.

Doch warum überhaupt etwas zahlen – sie hat sich ja nichts zu Schulden kommen lassen? Zurück in München wendet sich Eva-Maria H. an den MVV. Dort wird ihr gesagt, sie müsse die sieben Euro nicht zahlen, solle sich ans DB-Reisezentrum wenden. Am Schalter am Hauptbahnhof legt Eva-Maria H. alle Bescheinigungen vor. Doch die Sieben-Euro-Buße wird nicht zurückgenommen. „Sie haben zu mir gesagt: Was regen Sie sich denn so auf? Sieben Euro! Andere müssen viel mehr zahlen.“

Die Münchnerin hat sich an den Fahrgastverband ProBahn gewandt und hofft, am Ende Recht zu kriegen. Denn sie ist immer noch sauer: „Sieben Euro, das ist immerhin ein schönes Eis beim Sarcletti!“

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