Renten-Plus mit Tücken

von Redaktion

VON DANIELA POHL

Eigentlich könnte Peter Müller (Name geändert) sich freuen – er bekommt seit 1. Juli gut 100 Euro mehr Rente. Eigentlich. Denn der Münchner fühlt sich vom Staat betrogen: „Das, was ich mehr kriege, wird mir später wieder genommen. Das ist Betrug am Bürger“, schimpft der 78-Jährige.

Peter Müller ist einer von zigtausenden Rentnern, die Steuern auf ihre Alterseinkünfte zahlen müssen, weil sie über dem steuerlichen Grundfreibetrag (2023 sind das 10 908 Euro pro Jahr) liegen. Dass Rentner Steuern zahlen, ist politisch gewollt: Bis 2040 sollen die Renten zu 100 Prozent besteuert werden – momentan sind wir in einer Übergangsfrist, in der die Abgaben Zug um Zug wachsen. Dafür sind Aufwendungen zur Altersvorsorge seit 2023 vollständig absetzbar.

Müller hat 50 Jahre gearbeitet. Er ist 2010 in die Rente eingetreten und muss deshalb diese zu 60 Prozent versteuern. Zum Vergleich: Wer heuer in Rente geht, muss 83 Prozent versteuern. Der sogenannte Rentenfreibetrag beträgt 17 Prozent. Müllers Rente ist relativ gut – 2590 Euro bekommt er im Monat, dazu kommen noch Gelder aus privater Vorsorge. Er kommt locker über den Freibetrag von 10 908 Euro und ist damit steuerpflichtig. Die Crux: Der Rentenfreibetrag, der individuell berechnet wird und nicht versteuert werden muss, bleibt das ganze Leben lang gleich. Die Folge: Wenn die Rente steigt, muss Müller auch mehr Steuern zahlen, weil der Rentenfreibetrag nicht mitwächst. „Das ist ein Unding!“, ärgert sich der ehemalige Angestellte.

Vor allem Empfänger von überschaubaren Renten könnten durch die Rentenerhöhung vom Staat zur Kasse gebeten werden. Das sagt Tobias Gerauer, Steuerberater und im Vorstand der Lohnsteuerhilfe Bayern. „Wenn man gerade so am Grundfreibetrag kratzt, rutscht man in die Besteuerung hinein.“ So geht es 109 000 Rentnern, die nach der Rentenerhöhung vom 1. Juli von 4,39 Prozent in Westdeutschland (5,86 in Ostdeutschland) erstmals über die Freibetragsgrenze von 10 908 Euro kommen.

Der Experte rechnet vor, wie ein (fiktiver) Rentner, der bislang keine Steuern gezahlt hat, zum Steuerzahler werden kann: „Wer 2022 in Rente ging, kann 2023 eine Jahresbruttorente in Höhe von 16 205 Euro haben, beziehungsweise im zweiten Halbjahr monatlich 1510 Euro, ohne dass Steuern befürchtet werden müssen.“ Der Rentner im Beispiel muss 18 Prozent seiner Jahresrente nicht versteuern (Rentenfreibetrag bei Eintritt in die Rente 2022). Nach der Rentenerhöhung bekommt der Beispiel-Rentner 4,39 Prozent mehr Rente. „Es ergäbe sich eine Jahresbruttorente von 16 916 Euro – darauf würden dann 91 Euro Steuern fällig werden.“ Von der Erhöhung von 711 Euro blieben ihm also nur noch 620 Euro.

Zurück zu Peter Müller. Er soll 672 Euro nachzahlen. „Das ist ungefähr der Betrag, den ich durch die Rentenerhöhung und den Heizkostenzuschuss bekomme. Was habe ich gewonnen – nichts! Das ist für mich eine reine Rentenkürzung. Ganz zu Schweigen vom Inflationsausgleich – auch da bleiben wir Rentner auf der Strecke!“

Um von der hohen Nachzahlung runterzukommen, könnte Müller Aufwendungen von der Steuer absetzen (siehe Kasten).

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