Stumm sitzt Silver auf dem Bordstein an der Dachauer Straße. Um ihn herum tost der Verkehr. Der 17-Jährige scheint ihn nicht wahrzunehmen – er und die anderen Jugendlichen, die sich auf dem Grünstreifen am Leonrodplatz versammelt haben, sind in Gedanken bei Daniel. Ihrem Freund, der ihnen so sehr fehlt. Der Schüler wurde im Alter von nur 18 Jahren auf grausame Weise aus dem Leben gerissen. Er wurde an der Trambahnstation Leonrodplatz von einem Auto erfasst und tödlich verletzt (wir berichteten). Der Fahrer war betrunken.
Immer wieder muss Silver an die unbeschwerten Stunden vor dem Unfall denken, als noch alles in Ordnung war. Es sind Erinnerungen, die sich der 17-Jährige für immer bewahren will. Die Freunde feierten am Samstag gemeinsam mit anderen beim Rolling Loud Festival in Riem. „Wir hatten Spaß. Es war ein schöner, entspannter Nachmittag“, sagt Silver. Ein Treffen unter guten Freunden, so wie sie schon zahlreiche vorher verbracht hatten. „Wir haben nach dem Festival noch am Nordbad was gegessen und uns dann verabschiedet. Niemand konnte wissen, dass es das letzte Mal Servus-Sagen war.“
Daniel fährt zum Leonrodplatz, er will nach Hause. Doch dort kommt er nie an. Denn gegen 0.30 Uhr kontrolliert die Polizei einen betrunkenen 21-Jährigen im Renault Clio, der plötzlich Gas gibt. Er brettert bei Rot auf der Dachauer Straße über die Kreuzung, wo er zuerst in einen VW kracht – die Insassen werden leicht verletzt. Durch die Wucht des Aufpralls wird der Renault auf den Trambahn-Halt katapultiert. Dort steht Daniel. Das Auto erfasst ihn, er stirbt noch am Unfallort. Ein weiterer junger Mann (18) trägt schwerste Beinverletzungen davon. Ein 16-Jähriger wird leicht verletzt.
Wie die Polizei mitteilt, soll der Unfallfahrer gestern dem Haftrichter vorgeführt worden sein. Er hat aktuell keinen Führerschein.
Daniel war Neuhauser, ging aufs Adolf-Weber-Gymnasium. „Er hätte nächstes Jahr Abitur gemacht“, sagt Silver. „Wir hatten viele Kurse zusammen. In Mathe und Deutsch saßen wir nebeneinander und haben im Unterricht oft Witze gerissen. Er war ein Super-Mensch, immer gut drauf, immer am Helfen.“ Den ganzen Montag über pilgern Freunde und Mitschüler auf die Verkehrsinsel gegenüber dem Tram-Halt. Viele weinen, legen direkt vor einem Baum bunte Blumen nieder, zünden Kerzen an. Daniels Vater, sein jüngerer Bruder und ein Cousin stehen eng beisammen, vereint in stiller Trauer. Sie wollen verstehen, was nicht zu verstehen ist.
Ein Foto zeigt Daniel als kleinen Bub, ein anderes ist vor nicht allzu langer Zeit aufgenommen worden: ein lebenslustiger junger Mann, der alles noch vor sich hat. Auch Daniels Ex-Freundin ist da, ihr fällt es schwer zu reden. Doch dann findet sie Worte, spricht über einen „ganz besonderen Menschen, der uns allen so viel gegeben hat“. Der immer versucht habe, „andere zum Strahlen zu bringen durch seine Art, durch seinen Humor. Und er hat gelebt, wie er leben wollte. Und das war gut so. Ich will, dass alle wissen, was für ein toller Mensch Daniel war!“