Es ist ein Schmelztiegel der Meinungen. Seit das Münchner Forum auf Initiative von Alt-OB Hans-Jochen Vogel (SPD) 1968 im Zuge der Diskussion um die „autogerechte Stadt“ gegründet wurde, ist der Verein ein kritisch-konstruktiver Begleiter der Münchner Stadtentwicklung. Jetzt sucht die Bürger-Plattform eine neue Leitung der Geschäftsstelle. Und das ist nicht ganz einfach, wie die stellvertretende Vereinsvorsitzende Kathrin Wickenhäuser-Egger (44) und Michael Schneider (46), der als Vorsitzender des Programmausschusses die inhaltliche Arbeit des Forums verantwortet, im Interview sagen.
Frau Wickenhäuser-Egger, Herr Schneider, Sie sind beide berufstätig. Warum engagieren sie sich ehrenamtlich?
Kathrin Wickenhäuser-Egger: Mein Vater hat mir die Bedeutung des Ehrenamts mit auf den Weg gegeben. Er war über 30 Jahre Vorsitzender des Münchner Forums. Lustig eigentlich, weil er ein Autohaus hatte und das Forum ja immer wieder für die autofreie Stadt geworben hat. Aber gerade die unterschiedlichen Sichtweisen machen das Münchner Forum aus. Man entwickelt sich weiter, wenn man nicht nur in seinem Kokon sitzt, sondern sich öffnet – persönlich und unternehmerisch. Michael Schneider: Ich bin in einem relativ politiknahen Bereich im Landratsamt München tätig, im Fachbereich Mobilität und verkehrliche Infrastruktur. Mobilität ist eigentlich ein großer, organisierter Dauerkonflikt. Da habe ich auch viel gelernt, wie Politik funktioniert. Im Münchner Forum kann ich dieses Wissen einbringen – und im gemeinsamen Diskurs verschiedene Meinungen, Ideen und Gedanken zur Stadtentwicklung austauschen.
Das Münchner Forum sucht eine neue Geschäftsführung. Was muss diese Person mitbringen?
Wickenhäuser-Egger: Ich glaube, dass neben dem akademischen Hintergrund vor allem die soziale Kompetenz ganz wichtig ist. Die Vernetzung von vielen verschiedenen Akteuren innerhalb und außerhalb des Forums ist vielschichtig und äußerst spannend. Man muss mit den verschiedenen Persönlichkeiten umgehen können und auch wissen, wie man Dialoge zu einem positiven Ganzen gestaltet. Nicht ganz einfach, aber ich bin sicher, wir finden diese Person. Schneider: Dr. Michaela Schier (scheidende Geschäftsführerin) war eine Meisterin im Vernetzen. Wir haben allein im Münchner Forum etwa 140 institutionelle und persönliche Mitglieder. Dazu kommen ungefähr 300 Menschen, die sich im erweiterten Kreis engagieren. Die Hierarchien sind flach, jeder kann sich einbringen.
Wie hat sich der Bürgerprotest im Laufe der Jahrzehnte entwickelt? Haben die Bürger heute mehr Mitspracherechte?
Schneider: Die Zeiten, in denen es eine Amtsplanung gab, die einfach abgenickt wurde, sind vorbei. Allerdings glaube ich, dass bei der Beteiligungskultur noch viel Luft nach oben ist. Nicht umsonst ist Bayern das Bundesland mit den meisten kommunalen Bürgerentscheiden. Das wäre wohl nicht so, wenn die Beteiligung vorher so gut gewesen wäre, dass man zu einer konsensfähigen Lösung gekommen wäre. Neue Formate könnten eher das Grundgefühl vermitteln, dass Beteiligung mehr ist, als eine schriftliche Stellungnahme innerhalb eines streng formalisierten Rahmens abzugeben, wie es etwa bei der Bebauungsplanaufstellung der Fall ist.
Was könnten solche Formate sein?
Schneider: Zum Beispiel Bürgergutachten. Wie das zum Kunstareal, das jetzt vor fast genau zehn Jahren war. Da haben sich 100 zufällig ausgewählte Bürger zusammengesetzt und überlegt: Was soll aus diesem Areal werden? Das hat das Münchner Forum wesentlich mit angestoßen. Die Neuauflage dieses Formats hatten wir jetzt bei der geplanten Bebauung des Paketposthallen-Areals. Wickenhäuser-Ecker: Manche sagen ja, wir granteln a bissl viel. Aber was wäre gewesen, wenn es das Münchner Forum nicht gegeben hätte? Was wäre dann aus unserem Olympiastadion geworden? Schneider: Es gab in den frühen 2000er-Jahren Bestrebungen, das Olympiastadion zum reinen Fußballstadion umzubauen. Dann wäre von dem weltbedeutenden Ensemble Olympiapark nicht mehr viel übrig gewesen. Das Forum hat damals massiv interveniert und erreicht, dass ein reines Fußballstadion in Fröttmaning gebaut wird. Auch für den Erhalt der Trambahnen hat sich das Münchner Forum eingesetzt: Die Verkehrsbetriebe wollte die Trams in den 70er-Jahren sukzessive durch U-Bahnen und Busse ersetzen. Heute fahren sie immer noch.
Interview: Daniela Pohl