Bewegende Erinnerungen

von Redaktion

VON MARTINA WILLIAMS

Ihr geliebter Giuliano durfte nur 19 Jahre alt werden: Gisela Kollmann stand am Rednerpult und gedachte am Samstag ihres Enkels, der bei dem Terroranschlag im Olympia-Einkaufszentrum München (OEZ) am 22. Juli 2016 ums Leben gekommen war. Jahrelang hatte die Großmutter dafür gekämpft, dass der Anschlag als rechtsterroristische Tat anerkannt und die Erinnerung an ihren Giuliano wachgehalten wird.

Der Bub war seit seinem dritten Lebensjahr bei seiner Oma im Hasenbergl aufgewachsen. Mit seinen 19 Jahren hatte er eigentlich eine Berufsausbildung zum Drucker angestrebt. Seit seinem gewaltsamen Tod hatte Oma Gisela Kollmann mehrfach erklärt: „Ich vermisse ihn immer. Jeden Tag.“

Sieben Jahre nach der Bluttat durfte heuer erstmals die Initiative „München erinnern!“, die aus Angehörigen der Opfer und Überlebenden besteht, den Gedenktag mitgestalten. Zunächst hatte es einen Gedenkmarsch vom Moosacher Bahnhof zur Hanauer Straße gegeben, auf dem Schilder mit den gezeichneten Gesichtern der Opfer getragen wurden. Am Mahnmal am OEZ wurden Kränze und Blumen für die Opfer niedergelegt, die der 18-jährige Deutsch-Iraner David S. damals gegen 17.50 Uhr im und vor der McDonald’s-Filiale erschossen hatte. Als Polizisten den Attentäter stellten, hatte er sich selbst per Kopfschuss getötet.

Neben einigen Angehörigen sprach auch OB Dieter Reiter (SPD) bei der offiziellen Gedenkveranstaltung mit rund 600 Teilnehmern. Er stellte die Tat in eine Reihe mit den Anschlägen von Hanau und Halle und dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus dem Jahr 2019. „Da gibt es Zusammenhänge, die lange nicht gesehen wurden, weil das Attentat viel zu lange als unpolitische Tat eines Einzelnen bewertet wurde“, sagte Reiter. „Das OEZ-Attentat muss endlich mit diesen Taten in einer Reihe genannt werden, auch bundesweit.“ Denn: „Alle diese rassistischen und rechtsextremen Anschläge haben vieles gemeinsam.“

Der Täter von Hanau habe vorher fünf Jahre in München gelebt. Der Täter am OEZ habe auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Attentat des rechtsextremen Anders Breivik in Norwegen gemordet. Reiter: „Seine Tat traf Menschen aus Familien, die in der rassistischen Sichtweise des Täters Fremde waren und aus seiner Sicht nicht dazugehörten.“ Sieben der neun Todesopfer waren Muslime.

Um die Kontinuität rechten Terrors aufzuzeigen und der Opfer zu gedenken, sollen laut Reiter die Gräber der Opfer in München als Gedenkgräber angesehen werden. Damit werden Gedenktafeln an den Ruhestätten angebracht, die Kosten für die Pflege der Gräber übernimmt die Stadt München.

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