Abschied vom Shirt mit dem Scheich

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Hurra, es ist wieder Bundesliga! Also der Fußball, den Saudi-Arabien uns übrig lässt. Aus Sicht des FC Bayern ist derzeit zwar gegen die dortige Pro League gar nichts einzuwenden, weil sie ihm dankenswerterweise den nicht mehr benötigten Sadio Mané abgenommen hat, und vielleicht hält sie in zwei, drei Jahren dafür her, dass die gut 100 Millionen für Harry Kane mit üppigem Zins zurück aufs Festgeldkonto kommen. Doch grundsätzlich gilt: Die Geldmacht Saudi-Arabien gilt hierzulande nicht als Sympathieträger. Was für mich bedeutet: Ich werde mein Saudi-Gewand nicht mehr öffentlich tragen.

Die Geschichte ist die: 1994 war ich als Sportreporter bei der Fußball-WM in den USA, Saudi-Arabien war ein wackerer Außenseiter, der es überraschend ins Achtelfinale schaffte. Ein Anlass für den Staat, die Medien ins Convention Center von Los Angeles zu laden, um dort von den Zukunftsplänen für den Fußball zu erzählen. Die angemietete Messehalle war mit Teppichen ausgelegt, es sollte was zu essen geben (eine Aussicht, die uns Journalisten in jedem Winkel der Welt verlässlich anlockt), doch die vermutlich feinen orientalischen Speisen steckten im Stau, den es in L.A. immer gibt. Weil sie der aufkommenden Ungeduld in Reihen der Pressemeute gewahr wurden, begannen die Gastgeber kleine Präsente zu verteilen: T-Shirts, Kappen. Ich sah’s als Trophäenglück: Wer sonst in Deutschland hat ein Shirt, auf dem ein Scheich abgebildet ist, der mit erhobenem Daumen einem Ball hinterherjagt? Dazu der Aufdruck: „Saudi Arabia welcomes you. The ministry of information.“

Ich trug das Shirt viele Jahre beim Sport, es ließ mich geheimnisvoll wirken. Ich spürte die fragenden Blicke: Was hat dieser doch sehr harmlos heimisch aussehende und redende Typ mit Saudi-Arabien zu schaffen, ist er in Öl-Geschäfte involviert, bringt er stinkreiche Medizintouristen nach Bayern? Ich genoss meine Aura.

Gut, nach 29 Jahren ist das Teil doch sehr ausgeleiert, und die Vorstellung, dass die Scheichs herzhaft lachen oder das Informationsministerium freundlich ist, hat sich nicht erst erledigt, seit der Journalist Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul zersägt worden ist. Also: Shirt und Caps, im Kleiderschrank weit nach hinten gerückt, final verschwinden lassen – jetzt erst recht, wo die Saudis sich bei den Fußballinteressierten tückisch einschmeicheln wollen.

Überhaupt gilt heute mehr denn je: Man muss vorsichtig sein, was man wo trägt. Zum Beispiel in München irgendwas, auf dem das Wort Augsburg steht. Ich besitze zwei Shirts eines kleinen Platten- und Streetwear-Labels mit dem Aufdruck „Augsburg All Stars“ und der Maiskolben-Silhouette des Augsburger Hotelturms – was den Pressesprecher eines Münchner Sportvereins dermaßen triggerte, dass er bei der Redaktionsleitung eine Beschwerde über mein Outfit einbrachte. „Saudi Arabia welcomes you“ wäre wahrscheinlich durchgewunken worden. Aber das ist nun Vergangenheit.

Sie erreichen den Autor unter Guenter.Klein@ovb.net

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