„Wir müssen deutlich auf die Bremse treten“

von Redaktion

INTERVIEW Oberbürgermeister Dieter Reiter über die vielfältigen Investitionen der Stadt und seine Ambitionen

OB Dieter Reiter (SPD) kommt im sportlichen Sommer-Outfit: Jeans, Turnschuhe, kurzärmliges weißes Hemd. Ein T-Shirt dürfe er wegen des Vetos seiner Mutter (93) nicht tragen, sagt Reiter und lacht. Im Interview spricht fder Oberbürgermeister über die kriselnde SPD, die Sparkasse und das Einwohnerwachstum.

Die Sanierung des Stadions, des Zeltdachs und des Fernsehturms verschlingt hunderte Millionen Euro. Ist es das Geld wert und kann sich die Stadt das leisten?

Der Olympiapark ist ein einzigartiges Ensemble. Ich glaube, wir sind die einzige Stadt weltweit, die 50 Jahre nach den Spielen ihre olympischen Sportstätten noch so gut in Schuss hat. Es muss es uns also wert sein, dieses Ensemble zu erhalten.

Wird die Stadt sich irgendwann entscheiden müssen: Sanieren wir den Gasteig oder bauen wir die Tram-Westtangente?

Die Frage ist nicht so abwegig. Das wird man politisch diskutieren müssen. Es sind ja auch noch ein paar Milliarden für den Schulbau vorgesehen. Außerdem wollen wir Wohnungen bauen, und die Grünen würden gerne Milliarden für energetische Sanierungen ausgeben. Es geht um Prioritätensetzung. Wir müssen deutlich auf die Bremse treten, sonst läuft das Investitionsvolumen aus dem Ruder.

Nur noch sechs Wochen bis zur Landtagswahl – und die SPD steht in Umfragen miserabel da. Passiert noch ein Wunder?

An Wunder glaube ich eher nicht. Die Hoffnung aufzugeben, wäre aber auch falsch. Die SPD müsste noch deutlicher hervorkehren, warum es gut wäre, wenn sie an der Landesregierung beteiligt wäre. Als Alternative zu den Freien Wählern. Dazu braucht es aber 13 bis 15 Prozent. Die sind jetzt nicht zum Greifen nah, aber auch nicht illusorisch.

Sie würden Ihrer Partei zu einer Regierungsbeteiligung raten?

Uns in der Opposition zu erneuern, haben wir jetzt mehr als 50 Jahre versucht. Das hat nicht zwingend funktioniert. Deswegen wäre es gut, den Menschen zu vermitteln, was man in Bayern aus der Regierung heraus verbessern kann, als denkbarer Koalitionspartner. Eine Partei sollte ihre Ideen umsetzen wollen, etwa beim Wohnungsbau oder der Infrastruktur. Da hat die CSU eindeutig zu wenig gemacht. Und auch die ständigen Richtungswechsel des Ministerpräsidenten – denken Sie nur an den Atomausstieg – zeigen, dass politische Leitplanken für die CSU offenbar eher aus Gummi sind.

Sie selbst wollen bei der Kommunalwahl 2026 erneut antreten. Ist Ihnen die Lust auf Politik nicht vergangen?

Es gab zwischendurch, wie bei vielen Menschen, Momente, in denen ich mir gedacht habe: Will ich mir das wirklich noch einmal antun? Aber die Situation hat sich verändert. Die Altersgrenze ist nun gefallen, und ich bin schon deshalb motiviert, weil ich viel Zuspruch aus der Münchner Bevölkerung erfahren habe.

Würden Sie nach 2026 an Grün-Rot festhalten oder sagen Sie, besser wieder mit der CSU?

Ich werde im Wahlkampf für die SPD werben, und sonst gar nichts. Und eine Koalitionsaussage wird es definitiv nicht geben.

In der Verkehrspolitik der jetzigen Stadtregierung hat man oft den Eindruck, dass die SPD von den Grünen fremdbestimmt wird.

Es ist der strittige Politikbereich, allerdings nicht nur mit den Grünen. Auch mit Teilen meiner Fraktion bin ich mir nicht immer einig. Ich bin dafür, Autos aus den zentralen Bereichen der Altstadt zu verbannen, aber ich lehne das Auto als Verkehrsmittel nicht kategorisch ab. Die Grünen sagen immer, sie seien nicht ideologisch in dieser Frage, sind es aber.

Beim Bau des Radwegs in der Elisenstraße hat die SPD anders abgestimmt, als Sie wollten. Haben Sie Ihre Fraktion nicht mehr im Griff?

Der zügige Ausbau des Radwegenetzes ist ein kontrovers diskutiertes Thema in meiner Fraktion. Das kann ich auch verstehen. Wir sollten uns aber mehr auf das Machbare und Sinnvolle konzentrieren. Die Verbreiterung des Radwegs an der Elisenstraße halte ich eher für Symbolik.

Ist die Uneinigkeit der SPD in so einer Frage wie der Verkehrspolitik nicht eine Hypothek für Ihren Wahlkampf?

Ich gehe davon aus, dass die SPD mich in meinem Wahlkampf unterstützt. Und keinen eigenen macht mit ihren eigenen Themen. Im Übrigen ist das nur ein Teilbereich der Stadtpolitik. Wir haben brennendere Themen in der Stadt als Radwege.

Zuletzt gab es großen Ärger wegen neuer Gebührenmodelle bei der Stadtsparkasse und wegen der Strom- und Gaspreisabrechnungen der Stadtwerke. In beiden Gesellschaften sind Sie der Aufsichtsratschef. Haben Sie da die Kontrolle verloren?

(lacht) Bei der Sparkasse handelte es sich um eine Entscheidung der Geschäftsführung, über die der Verwaltungsrat informiert wurde. Die Sparkasse hat die Änderungen schlecht kommuniziert, was der Vorstand dann auch eingesehen hat. Mir war es wichtig, dass keine Gebühren für das Abheben von Bargeld fällig werden. Das wurde dann auch so geändert.

Alteingesessene Bürger beklagen, dass München immer voller wird. Wie soll die Stadt das Einwohnerwachstum verkraften, wenn schon jetzt der ÖPNV aus allen Nähten platzt?

Natürlich muss der gesamte Nahverkehr leistungsfähiger werden. Und wir brauchen Wohnungen. Leider haben wir bei fast jedem neuen Bauvorhaben sofort Widerstand aus der Bevölkerung. Es herrscht ein Egoismus, der mir zu denken gibt. Ein gewisses Wachstum braucht eine Stadt aber, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Hand aufs Herz: Hat die Berliner Ampel für eine Kommune wie München beim ÖPNV bislang mehr Positives bewirkt als die Vorgänger-Regierung?

Mit dem vorigen Verkehrsminister Scheuer konnte ich zumindest telefonieren, und er hat meine Schreiben regelmäßig beantwortet. Das kann man von Herrn Wissing nicht wirklich behaupten. Ich hatte noch nie einen so schlechten Draht zum Bundesverkehrsministerium. Die Bundesregierung braucht das Wort Verkehrswende jedenfalls nicht mehr in den Mund zu nehmen, wenn der Bau von U- und Trambahnen nicht angemessen unterstützt wird.

Das Gespräch führten Klaus Vick und Sascha Karowski

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